Das Deutschlandstipendium ist eine begehrte Studienfinanzierung, doch die Auswahlkriterien werden heftig diskutiert. Ist das Programm in seiner jetzigen Form eine sinnvolle Möglichkeit, engagierte Studierende zu fördern?
Das Deutschlandstipendium startete mit der Idee, leistungsstarke und engagierte junge Menschen in ihrem Studium zu fördern. Die Förderung beträgt unabhängig vom Einkommen 300 Euro im Monat und wird zur Hälfte von privaten Förderern finanziert und zur anderen Hälfte vom Bund. Eine Hochschule, welche das Deutschlandstipendium anbietet, sucht sich selbst private Förderer. Das können beispielsweise private Unternehmen, aber auch Privatpersonen sein.
Nach fünf Jahren wurde eine Zwischenbilanz gezogen, Wirkungen und Erfolgsbedingungen des Programms untersucht und durch den Beirat Deutschlandstipendium in einer Stellungnahme bewertet.
Studierende aus nicht akademisch geprägten Familien, Migrantinnen und Migranten und Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind beim Deutschlandstipendium unterrepräsentiert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (und auch das Deutsche Studentenwerk) sehen einige Punkte kritisch und haben ein abweichendes Votum abgegeben.
These 1: Das Deutschlandstipendium wird nicht (mehr) angenommen.
Insgesamt hat das Deutschlandstipendium nur knapp 0,9 Prozent aller Studierenden erreicht (Zahl der eingeschriebenen Studierenden im Wintersemester 2016/17 laut Statistischem Bundesamt). Das ursprünglich anvisierte und mittlerweile nach unten korrigierte Ziel von acht Prozent wird damit deutlich verfehlt. Die vom Bund bereitgestellten Gelder verfallen und dabei handelte es sich zum Beispiel im Jahr 2016 um einen Betrag von 15 Millionen Euro. Es würden deutlich mehr Studierende davon profitieren, wenn das Projekt Deutschlandstipendium eingestellt und stattdessen das BAföG gestärkt würde.
Auch die Seite der privaten Förderer stagniert: nach fünf Jahren gibt es keinen nennenswerten Zuwachs an privaten Förderern. Trotz staatlicher Förderung mangelt es an der Bereitschaft, ein Stipendium zu finanzieren. Und das, obwohl die Förderung steuerlich absetzbar ist.
These 2: Das Stipendium fördert die Studierenden, die die Förderung aufgrund ihrer Qualifikation und ihres Engagements am meisten verdienen.
Eine primär leistungsabhängige Förderung benachteiligt Studierende, die zur Sicherung ihres Lebensunterhalts neben dem Studium auch erwerbstätig sein müssen oder sich ehrenamtlich engagieren – was oft zu Lasten des Studiums geht.
Wie die Sozialerhebung zeigt, wird die soziale Ungleichheit beim Zugang zur Hochschule durch das Deutschlandstipendium nicht abgemildert. Eine Sogwirkung für Studierende aus nicht akademischen beziehungsweise einkommensschwächeren Elternhäusern hat nicht stattgefunden.
Die Idee, leistungsstarke und engagierte Menschen zu fördern, unabhängig vom Einkommen und ihrem sozialen Background, wird mit Hilfe des Deutschlandstipendiums nicht erreicht.
These 3: Das Stipendium sorgt dafür, dass der Leistungsdruck, dem die Studierenden unterliegen, noch weiter gesteigert wird.
Womöglich führt das Stipendium dazu, dass der Leistungsdruck während des Studiums steigt. Oder aber es sorgt vor allem dafür, dass das Stipendium eben von der entsprechenden Zielgruppe nicht abgerufen wird, weil die „herausragenden Leistungen“, die in der Ausschreibung verlangt werden, von vielen als hohe Hürde wahrgenommen werden.
Der Leistungsbegriff wird in der Gesellschaft sehr eindimensional wahrgenommen, das macht sich dann auch in der Selbsteinschätzung der Studierenden bemerkbar. Dabei ist Leistung eben nicht allein gleichzusetzen mit Noten und absolvierten Studienleistungen.
Ein Beitrag von Miriam Walkowiak
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Was sagen Heidelberger Studierende dazu?
„Man kann alle Voraussetzungen erfüllen – gute Noten und Engagement – und trotzdem reicht es nicht für das Stipendium. Es sollten die Leute ein Stipendium bekommen, die die finanzielle Unterstützung brauchen und die Voraussetzungen erfüllen.“
„Man sollte zweispurig fahren: Begabte Menschen müssen gefördert werden, um Wissenschaftsnachwuchs zu garantieren. Andererseits gibt es eine soziale Verantwortung gegenüber denjenigen, die finanziell nicht so gut gestellt sind. Ein Stipendium bringt dabei Ansporn und Druck zugleich. Der Leistungsdruck wird erhöht und man fühlt sich als ideeller Versager, wenn man den Anspruch verliert.“
„Für eine Förderung, die sich rein an der finanziellen Situation orientiert, gibt es BAföG. Es braucht aber auch eine Unterstützung in Form von Stipendien, die unabhängig von der sozialen und familiären Situation ist.“
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