Der Arbeitskreis Real World Economics sagt dem Homo oeconomicus den Kampf an und fordert mehr Vielfalt in der VWL
Wir befinden uns im Jahre 2017 n. Chr. Das ganze VWL-Studium ist von einseitigem Wachstumsdenken besetzt… Das ganze VWL-Studium? Nein! Ein von unbeugsamen Studenten bevölkerter Arbeitskreis hört nicht auf, Widerstand zu leisten.
„Der freie Markt ist gut, Eingriffe sind schlecht“, so schallt das ewige Mantra durch die Hörsäle. Das ist zumindest der Eindruck, den die Mitglieder der Hochschulgruppe AK Real World Economics haben. Sie empfinden die VWL, so wie sie an der Universität Heidelberg und an den meisten anderen Unis unterrichtet wird, als engstirnig und veraltet. Einer ihrer Hauptkritikpunkte ist die nahezu vollständige Konzentration auf die neoklassische Theorie in der universitären Lehre. Diese werde weder kritisch hinterfragt, noch würden anderen Sichtweisen in die Lehre integriert.
„Menschen interagieren nicht nur durch Kauf und Verkauf, sondern auch sozial miteinander. In der VWL benutzen wir sehr vereinfachende Modelle, ohne uns dessen gewahr zu sein. Wir abstrahieren, ohne darüber zu reflektieren“, so Paul Waidelich und Martin Väth, beide Mitglieder des Arbeitskreises. Ein zentrales Ziel der Gruppe ist daher, die ökonomischen Schulen und Meinungen in der VWL vielfältiger zu machen. Durch Reflexion und kritischen Vergleich sollen so die Schwachstellen der einzelnen Schulen und Theorien aufgezeigt und ausgeglichen werden. Auch Umweltschutz und Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, der Schwerpunkt der Gruppe in diesem Semester, werden, obwohl sie zu den großen Problemen unserer Zeit zählen, aus ihrer Sicht sträflich vernachlässigt. Der Fokus liege fast ausschließlich auf Gewinnmaximierung und ständigem Wachstum. „Die VWL sollte sich mehr als Sozialwissenschaft verstehen“, fordert Martin Väth.
Um ihre Ideen und Vorstellungen umzusetzen, organisieren sie wöchentlich Vorträge mit anschließenden Diskussionsrunden. Aber auch Filmvorführungen, Podiumsdiskussionen, Exkursionen und ein einmal im Semester stattfindendes Hüttenwochenende zählen zu ihrem Programm.
Die ikonischste Aktion stellt aber zweifellos das Bunte Sofa dar, auf dem sich jedes Jahr im Mai Dozenten den Fragen und Vorschlägen der Studenten stellen. Dabei sind auch fachfremde Studenten willkommen. So etwas wie offizielle Mitglieder gibt es nicht.
Obwohl der AK Real World Economics lokal agiert, ist er Teil des Netzwerks Plurale Ökonomik Dieses Netzwerk ist ein deutschlandweiter Zusammenschluss von Gruppen mit ähnlichen Vorstellungen wie der Heidelberger Arbeitskreis. Neben der Unterstützung der einzelnen Ortsgruppen wird so auch eine Möglichkeit des Austauschs für neue Ideen geschaffen. Und so ist von der Gruppe unbeugsamer Studenten auch in den nächsten Jahren heftiger Widerstand zu erwarten.
Von Matthias Luxenburger