Die Kunst der Heidelberger „Irren“ faszinierte vor knapp 100 Jahren Alfred Kubin. Die Sammlung Prinzhorn präsentiert aktuell seine Lieblingsstücke
Das Vorurteil, dass es der Kreativität zuträglich ist, ein gewisses Maß an Verrücktheit zu besitzen, hält sich eisern in den künstlerischen Sparten. Auch der Autor, Illustrator, Grafiker und Maler Alfred Kubin sah sich seinerzeit in Bezug auf seine Kunst damit konfrontiert und setzte sich mit dem Thema Wahnsinn auseinander. Zur Erholung war der Österreicher 1920 in einem Sanatorium bei Darmstadt und wurde dort auf ein Sammelprojekt in Heidelberg hingewiesen. So unternahm Kubin eine Reise nach Heidelberg und besuchte die Sammlung Prinzhorn der Psychiatrischen Klinik, die damals nicht für die Öffentlichkeit zugänglich war. Ergriffen von dem, was er sah, schrieb er eine Postkarte an seine Frau: „Die meisten Sachen lassen sich neben den besten Expressionisten sehen und übertreffen diese durch Originalität.“
Auch nach seinem Aufenthalt hielt bei Kubin die Faszination für die Werke der Anstaltsinsassen an, sodass er in einem Zeitschriftenartikel 1922 dreizehn Künstler und ihre Werke anonym vorstellte.
Die aktuelle Ausstellung der Heidelberger Sammlung Prinzhorn „Geistesfrische – Alfred Kubin und die Sammlung Prinzhorn“ hat sich diesen Artikel zur Grundlage genommen und rekonstruiert die an die hundert von Alfred Kubin in Heidelberg gesichteten Werke der heute genannten „Outsider Art“. Ausgestellt sind diese vom 2. März bis zum 30. Juli und warten darauf, in der dunklen Atmosphäre der Ausstellungsräume von den Besuchern bei schummrigen Licht erkundet zu werden. Eröffnet wird die Präsentation der Stücke mit eben diesem Artikel Kubins, der damals von Joseph Schneller illustriert wurde.
Geistesgegenwärtig kuratiert schließen sich die Werke der einzelnen Künstler an. Begleitet werden die Werkgruppen jeweils von einem Zitat Kubins, in dem er seine Bewunderung für den Künstler begründet.
Betritt man die Ausstellung, erstrecken sich Traumphantasien von Paul Goesch entlang der Wände, die durchweg von einer beinahe wahnsinnigen Architektur dominiert werden. Daneben Zeichnungen von Heinrich Anton Müller, in denen er organische Formen zu phantastischen Wesen zusammensetzt. Gegenüber werden die Wasserfarbgemälde von Oskar Herzberg von kleinen Dokumenten begleitet, auf denen er die künstlerische Entwicklung der Werke dokumentierte. Im Mittelpunkt des Raumes werden die Besucher durch Kubins berühmtes Meisterwerk „Drohender Zusammenstoß“ in den Bann gezogen. Auf der Empore eröffnet Franz Karl Bühler die Werkschau, dessen Gemälde bereits Kubin an die Hand eines sienesischen Meisters erinnerten. Sie begeistern durch in Kreide dargestellte religiöse Motive, gepaart mit einem leicht mystischen Anklang. Im oberen Bereich der Ausstellung stellt man in vielen Werken die Auseinandersetzung mit dem Glauben fest, so auch bei Peter Meyer und Heinrich Hermann Mebes. Beendet wird der Rundgang auf der Empore durch absurde Bildergeschichten von Gustav Sievers, wie die Darstellung einer Massenvergewaltigung unter Aufsicht. Zudem mit Zeichnungen des bekannten Adolf Wölflin, denen Begegnungen mit Medien in mystischen Kreisen seiner Zeit zugrunde liegen. Des weiteren kompletieren die Werke von Karl Genzel, August Klett, Carl Robert Lange, Adolf Schudel und Clemens Constatin Henning von Oertz die Ansicht der „Geistesfrische“.
Ergänzt werden die Werke der „Irren“ durch einige Grafiken Kubins selbst, die als Leihgabe aus dem Österreichischen Landesmuseum Linz die Ausstellung abschließen. Sie entstanden, wie sollte es anders sein, in seiner Auseinandersetzung mit dem Thema Wahnsinn.
Von Maren Kaps