Im Herbst erhält die Ausstellung Körperwelten im Alten Hallenbad ein dauerhaftes Museum.
Ein Gespräch mit Kuratorin Angelina Whalley über die Faszination Plastination
Gunther von Hagens erfand 1977 in Heidelberg die Plastination, ein Verfahren, das den Verwesungsprozess des Körpers nach dem Tod stoppt. Angelina Whalley, die an der Entwicklung des Verfahrens mitarbeitete und mit von Hagens verheiratet ist, kuratiert die kontrovers diskutierten Ausstellungen.
Frau Whalley, die Ausstellung wird unter dem Motto „Die Anatomie des Glücks“ stehen. Wieso haben Sie dieses Thema gewählt?
Man kann den Körper unter verschiedensten Aspekten betrachten.Er ist unser Zuhause und unser Werkzeug und wie wir ihn behandeln, hat Auswirkungen auf unser Empfinden von Glück. Natürlich strebt jeder Mensch nach Glück – es ist eine evolutionsbiologisch notwendige Körperfunktion, die unser Überleben und unsere Gesundheit sichern soll. Dabei kann man Gesundheit und Glück nicht prinzipiell gleichsetzen, aber es existieren vielschichtige Beziehungen.
Wo im Körper ist denn das Glück verortet?
In Gehirnregionen des Zwischenhirns, wo Botenstoffe und Hormone aktiv werden. An diesen Stellen setzen auch Rauschgifte ihre Wirkung an, was eine ganz andere, gefährliche Seite unseres Glücksempfindens zeigt.
Kann man jedes Organ und jeden Körper plastinieren? Wo liegen die Grenzen der Technik?
Bei der Plastination wird das Gewebswasser durch Kunststoff ausgetauscht. Daher kann man alle Strukturen, die Wasser und Fett enthalten oder porös sind, plastinieren. Theoretisch könnte man auch ein Stück Käsekuchen auf diese Weise haltbar machen.
Die daraus entstehenden Präparate sind faszinierend. Sehen Sie die Ausstellungsstücke als Ihre Kunstwerke?
Das ist ein Punkt, der uns oft vorgeworfen wird. Dabei war das nie unser Anliegen: Nach der Erfindung des Verfahrens durch meinen Mann wurden wir von einer japanischen Anatomie-Gesellschaft eingeladen, wo wir ganze Körper als Unterrichtsmittel vorstellten. Diese erste Ausstellung war extrem erfolgreich und Besucher waren berührt und fasziniert – die einzige Kritik war, dass die Präparate so tot und gruselig aussähen. Dabei haben wir gemerkt, dass wir, um Laien einen ansprechenden Einblick geben zu können, den Körpern eine gewisse Qualität über ihre rein wissenschaftliche Aussage hinaus geben müssen.
Glück ist eine evolutionsbiologische Körperfunktion
Ist es möglich, die Identität der Körperspender nach der Plastination zu erkennen?
Nein, das ist unmöglich und die Anonymisierung ist eine bewusste Entscheidung. Unser Ziel ist Wissensvermittlung, nicht die Ausstellung eines persönlichen Schicksals.
Sie studierten in Heidelberg Medizin mit dem
Ziel, Chirurgin zu werden. Was brachte Sie zur Forschung an dem Verfahren der Plastination?
Das ist richtig, Chirurgin ist immer mein Traumberuf gewesen, aber im Endeffekt waren persönliche Gründe ausschlaggebend: Ich lernte während meines Studiums Gunther von Hagens kennen. Er ist ja in der DDR aufgewachsen und war zwei Jahre in Stasihaft, deshalb war Amerika immer seine Verkörperung von Freiheit gewesen. Ich wollte jedoch nicht dorthin, und so haben wir schließlich einen Kuhhandel geschlossen: Er geht nicht in die USA und ich nicht in die Chirurgie.
Es dauert im Schnitt 1500 Arbeitsstunden einen Menschen zu plastinieren
Die Kritik an den Körperwelten war immer sehr heftig. Sind Sie im Laufe ihrer Arbeit je in ethische Konflikte geraten?
Kritik kommt meist von Menschen, die die Ausstellung nie besucht haben und die meinen, dass wir die Würde der Menschen verletzten. Aber „Würde“ ist ein komplexer Begriff mit vielen Definitionen, von denen sich keine auf einen Leichnam anwenden lässt: Nur ein lebender Mensch kann seine Würde verlieren; der Tod hat aber diesen schon zur Leiche, also zum Objekt gemacht.
Dieses hat dennoch einen Achtungsanspruch und diesen erfüllen wir, weil die Ausstellung in keiner Weise zur Belustigung oder als Leichenschau gedacht ist, im Gegenteil: Besucher sind immer tief berührt und zeigen Dankbarkeit und Respekt.
Hat sich durch Ihre Arbeit und die Auseinadersetzung mit dem Tod ihre Einstellung zum Leben geändert?
Es ist für mich eine Art Memento mori, wodurch mir das Leben als glücklicher Zufall deutlich wird.
Was ist Glück für Sie?
Für mich sind es die kleinen Dinge: wie wenn ich nach dem Flamenco tanzen nach Hause komme und immer noch die Musik fühle. Oder auch meine Katzen oder ein guter Kaffee sind Glück für mich.
Das Gespräch führte Nele Bianga