Sensoren in der Kloschüssel analysieren Werte im Urin
Die Ära der mobilen Medizin steht vor der Tür. Nun sollen die Messgeräte auch beim Urinieren begleiten. Dies ist jedenfalls das Ziel des Heidelberger Start-Up „Peelytics“, das sich seit einiger Zeit mit der Entwicklung eines Pinkelsensors beschäftigt.
Die Inspiration für das Projekt lieferte die Pipi-Wette: „Mit 15 bis 16 Jahren fangen die Jungs an zu überlegen, wer am längsten kann. So sind wir draufgekommen“, erzählt Dirk Dorsch, einer der Gründer von Peelytics.
Bei ‚Zapplern‘ war die Testperson besoffen
Am Anfang war das Projekt eines solchen Sensors eher als Spaß gedacht. Nach einer Weile fiel den Gründern jedoch auf, dass sich mit diesem Thema sonst wirtschaftlich kaum befasst wird. Dabei kann Urin unglaublich viele Informationen liefern. Es ist möglich, den pH-Wert, die Glukosekonzentration und viele andere Parameter schnell und günstig zu vermessen. So schnell, wie die Entwicklung neuer Messtechnik und ihre Miniaturisierung voranschreitet, wäre es tatsächlich durchaus machbar, in ein paar Jahren ein komplexes Biochemie-Labor in Kleinformat in der Toilettenschüssel unterzubringen.
Dieses Konzept brachte „Peelytics“ das Startgeld für das erste halbes Jahr. Der medizinisch-analytische Bereich war mit dem Team aus vier Softwareentwicklern jedoch nicht so schnell abdeckbar. So kamen die Gründer zu der ursprünglichen Pipi-Wette-Idee zurück und entwickelten den „PeeWin“ – ein Gewinnspiel für das längste Urinieren. Dieses basiert auf einem Sensor und einer mobilen App, welche die Auswertungen macht. Da die Körpertemperatur des Menschen sich meist von der Umgebungstemperatur unterscheidet, konnte man über die Temperaturdifferenz herausfinden, ob jemand gerade auf das Gerät uriniert.
Der prinzipielle Aufbau des Geräts hat sich seit dem Prototypen nicht viel verändert und ermöglicht es, Daten über die Dauer, die Häufigkeit und den Zeitpunkt der Urinierung auf dem Smartphone zu sammeln. Bereits bei diesen Parametern kann der Bogen zurück zur Medizin geschlagen werden: „Man sieht daran, wie gut jemand trifft, schon gewisse Phänomene. Wenn die Treffschärfe abnimmt, sinkt die Temperatur und der Druck lässt nach. Wenn dann noch ,Zappler‘ kommen, weiß man: die Testperson ist besoffen”, so Dorsch. Eine solche Konfiguration kann bei Inkontinenz-Patienten verwendet werden, die Toilettentagebücher führen müssen. Eine Digitalisierung könnte ihnen den Alltag erleichtern.
Im Moment läuft bereits die Beta-Testphase für das „PeeWin“. Die Prototypen sind in mehreren Heidelberger Kneipen verteilt. Der Rekord liegt bei mehr als 150 Sekunden. Mit der Folgefinanzierung wollen die Gründer von „Peelytics“ Netzwerke mit der Uni knüpfen, um mit Ärzten und Forschern gemeinsam zu ermitteln, welche Parameter am wertvollsten und bei gegebenen Bedingungen am sinnvollsten zu erheben sind. An einer Sensorversion für heimische Toiletten und den weiblichen Gesellschaftsteil wird gearbeitet.
Von Elizaveta Bobkova