Was man nicht alles für seine Gäste tut. Die Bude sieht aus wie Sodom und Gomorrha, aber sobald die Schwiegereltern sich ankündigen, werden geschwind der seit zwei Monaten tote Zimmerefeu gegossen und die Pestoreste von den Tellern gemeißelt. Ungleich größer wird der Aufwand, wenn man nicht Zwei-Zimmer-Küche-Bad für die verwandtschaftliche Stippvisite in präsentablen Zustand versetzen, sondern mit einer ganzen Stadt vor feudal verwöhnten Royal-Reisegruppen angeben will.Für William und Kate bleibt kein Altstadt-Pflasterstein unpoliert, kein Gully unversiegelt, kein Neckar ungesperrt. Natürlich muss dringend das kürzlich installierte Gerüst an der Alten Brücke für einen Tag entfernt werden; der Anblick ist dem Nachwuchskönig und der internationalen Boulevardpresse aber auch wirklich nicht zuzumuten.
Bei der Gelegenheit könnte man sich darüber Gedanken machen, wie gut ein mäßig intaktes Schloss bei den Royals ankommen mag und ob man nicht die einmalige Chance ergreifen sollte, mit ein bisschen Sichtbeton und Farbe die klaffenden Lücken zu kitten. Warum nicht in dem Zuge auch gleich die Straßen an beiden Neckarufern unter die Erde verlegen? Sonst werden am Ende Willy und Kate beim öffentlichkeitswirksamen Rudern noch vom Verkehrslärm gestört.Apropos Neckarufer: Die Stadthalle würde sehr viel mehr Charme versprühen, wenn man sie um 30 Etagen aufstockt und mit einer gläsernen Welle als Dach versieht. Und angenommen, die Monarchie-Azubis würden ihren Fünfuhrtee im Marstallhof einnehmen und ihr exquisiter Blick fiele auf den schwarzen Asbest-Klotz der Altphilologen. Welch Katastrophe für das Romantik-Image! Also lieber auf Nummer Sicher gehen und ein „Altphilologikon“ mit ein paar Supermärkten und schickem Uni-Logo an der Fassade aus dem Boden stampfen. Was tut man nicht alles für seine Gäste?
Von Tillmann Heise