Trends sind kurzlebige Zeitgenossen. Sie tauchen auf, entfachen einen raschen und intensiven Hype und geraten dann ebenso schnell wieder in Vergessenheit. So geschehen beispielsweise mit dem weltweiten Phänomen „Pokémon Go“. Oder auch mit Jugendwörtern des Jahres, wobei sie statt Begeisterung eher immer wieder Spott angesichts ihrer Realitätsferne ernten.
So dachte ich zumindest – bis sich mir unlängst die Wiederkehr dieser beiden Erscheinungen offenbarte. Es geschah abends am Eingang des Heidelberger Bergfriedhofs. Zwei ältere Herrschaften jenseits der Siebzig schlichen im Dunkeln um das verschlossene Eingangstor des Friedhofs herum, versuchten vergeblich ins Innere zu gelangen, und wollten dann an der nächsten Ampel die Straßenseite wechseln. Sie verpassten jedoch prompt die erste Grünphase, da sie in einer geradezu sinnbildlichen Verkörperung des Jugendworts des Jahres 2015, „Smombie“, zu sehr mit den Smartphones beschäftigt waren, die sie sich beide dicht vors Gesicht hielten und dabei eifrig auf den Displays herumtippten. „Smombie“, eine hanebüchene Verknotung von „Smartphone“ und „Zombie“, sollte angeblich eine Bezeichnung für von ihren portablen Begleitern entseelte Jugendliche darstellen. Doch hier waren ausgerechnet Senioren die Opfer ihres übermäßigen Medienkonsums. Aber es kam noch besser: Nachdem die beiden schließlich erfolgreich die Straße überquert hatten, stellte sich heraus, dass sie – man glaubt es kaum – bei ihrem Abendspaziergang nicht mit ihren Enkeln chatteten, sondern eifrig in „Pokémon Go“ auf virtuelle Taschenmonster in der Umgebung Jagd machten. Die Suche nach Beute ließ sie ziellos in der Gegend herumstreunen, immer bereit, mit hektischen Wischbewegungen Pokébälle zu schleudern.
Was sie dabei auf dem Bergfriedhof wollten, wird man wohl nie erfahren – vielleicht sollte ja zu später Stunde am Grab Max Webers ein besonders charismatisches, pardon, legendäres Exemplar erscheinen. Doch eines hat sich dabei gezeigt: Auch vermeintlich beerdigte Trends kehren manchmal auf den unwahrscheinlichsten Wegen wieder in die Welt zurück.
Von Simon Koenigsdorff