Tote Menschen und fliegende Schweine: Für Gunther von Hagens’ Körperwelten-Ausstellung wird das Alte Hallenbad zum Leichenschauhaus
In Amsterdam, Berlin und San José gibt es die Körperwelten bereits, jetzt hat die anatomische Ausstellung auch in Heidelberg ihren festen Platz gefunden. Und das, obwohl Gunther von Hagens mit seinem Plastinations-Labor schon lange in Heidelberg präsent ist.
Seit Ende September zeigt von Hagens seine weltweit bekannten konservierten Körper im Alten Hallenbad, die Ausstellung „Anatomie des Glücks“ wird von seiner Frau Angelina Whalley kuratiert. Obwohl so weit verbreitet, sind die Körperwelten in den Medien jedoch stark umstritten. Immer noch stellt sich die Frage, ob es in Ordnung ist, tote Körper auszustellen.
Die Reaktionen der Besucher sind unterschiedlich. Einige betreten die Räumlichkeiten zielstrebig, neugierig und wissenshungrig, andere müssen zunächst tief durchatmen, bevor sie den ersten Schritt in Richtung der Exponate machen.
Woran liegt das? Mit der Anatomie des Menschen kommt man in der Regel nur über Skelette und Biobücher in Berührung. Das ist aber etwas anderes, als eine echte Raucherlunge oder eine Alkohol-Leber vor sich zu haben. Die Einflüsse von gesundheitsschädigenden Substanzen sind den meisten nicht erst seit den abschreckenden Bildern auf Zigarettenschachteln bekannt.
Allerdings zeigt die Ausstellung auch Präparate, die man zunächst nicht erwartet hätte und die versuchen, das Thema Glück auf den menschlichen Körper zu beziehen. Was allerdings eine plastinierte Bogenschützin genau mit Glück zu tun hat, bleibt unklar. Lediglich ein fliegendes Schwein, das von der Decke hängt, referiert auf ein symbolhaftes Glücksverständnis. Doch selbst das ist ein konstruierter Bezug, weil die angebrachten Flügelchen die Installation ins Lächerliche ziehen.
Zudem sind an manchen Stationen Screens und Tablets aufgestellt, auf denen Videos abgespielt werden. Statt interessante Hintergrundinformationen zu liefern, präsentieren sie jedoch lediglich Firlefanz und ersetzen den Audioguide nicht. Interaktive Spiele und Umfragen braucht es dabei gar nicht. Wer sich intensiver mit den Exponaten befassen will, sollte sich lieber einen Audioguide zulegen, anstatt sich den virtuellen Reizen hinzugeben.
In der Ausstellung gibt es einige erschreckende Stationen, die wirklich nichts für schwache Nerven sind. In Flüssigkeit konservierte Embryos werden in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien in Glaskästen ausgestellt. Bereits das ruft starke Emotionen hervor, obwohl im nächsten Raum eine im Querschnitt ausgestellte schwangere Frau auf den Besucher wartet. Wie kommt man an die Embryonen, fragt sich der Besucher. Und ist das mit der Menschenwürde vereinbar? Denn Tatsache ist, dass alle gezeigten Körper, Organe und Nerven in der Vergangenheit Leben in sich trugen. Mithilfe der Konservierungstechnik, die von Hagens entwickelt hat, wird den toten Körpern ihre natürliche Zellflüssigkeit entnommen und durch reaktive Kunststoffe ausgetauscht.
Was wollen von Hagens und Whalley mit der Ausstellung erreichen? In erster Linie eine präventive Gesundheitsförderung, da den Besuchern durch die konservierten Körper das Ausmaß von ungesunder Ernährung, Rauchen und Alkohol aufgezeigt werden soll. Außerdem ermöglichen die Körperwelten das Studium an echten Modellen. So kann man sich Wissen über die Prozesse innerhalb des Körpers aneignen.
Die Besucher der Körperwelten müssen sich aber mit der Frage auseinandersetzen, ob sie mit dem präsentierten Menschenbild übereinstimmen. Ist es legitim, Leichen zu konservieren und wie Kunstwerke auszustellen? Jeder sollte sich überlegen, ob er mit dem Eintritts-preis von Hagens Zurschaustellung unterstützen will.
Von Sina Petri