Papageienschwärme in den Bäumen: Der tropische Halsbandsittich hat sich in Heidelberg eingenistet. Bedrohen die Exoten Amsel und Co.?
[dropcap]W[/dropcap]er neu in Heidelberg ist, mag seinen Augen anfangs nicht trauen: Lautstark kreischend fliegen grüne, exotisch anmutende Papageien in kleinen Gruppen durch die Stadt. Selbst auf der heimischen Fensterbank kann man manchmal einen von ihnen antreffen, wie er neugierig das Treiben hinter dem Glas beäugt.
Halsbandsittiche heißen die Vögel, deren Geschnatter besonders abends über den Bahnhofsvorplatz schallt. Wer entlang des Rheins aufgewachsen ist, ist den quirligen Tieren wahrscheinlich schon einmal begegnet. Seit sie Ende der Sechziger erstmals in Köln aufgetaucht sind, haben sie sich stetig verbreitet, bis sie ab 1972 in der Rhein-Neckar-Region heimisch wurden. Mittlerweile sind die Sittiche waschechte Heidelberger.
Ob sie das auch bleiben sollen, ist allerdings umstritten. Das Bundesamt für Naturschutz hat die Sittiche als „potentiell invasiv“ eingestuft und zunächst unter Beobachtung gestellt. Manch ein Biologe bevorzugt gar die baldige Tötung der Vögel. Steckt die Integration der Halsbandsittiche in einer Krise?
Der Halsbandsittich gehört hierzulande zu den Neozoen und teilt damit das Schicksal von Waschbär und Wildkaninchen. Als Neozoen werden Tierarten bezeichnet, die durch den Menschen in ein Gebiet verschleppt wurden, in dem sie vorher nicht beheimatet waren, und dort längerfristig leben. In ihrer neuen Heimat haben sie meist einen schweren Stand: Es besteht die Sorge, dass die Tiere sich stark vermehren und dabei einheimische Tierarten verdrängen könnten.
Die Population der Sittiche habe in den letzten 25 Jahren in Heidelberg deutlich zugenommen, berichtet Sebastian Olschewski vom Vorstand des Naturschutzbundes Deutschland in Heidelberg. So beherbergen die Platanen vor dem Hauptbahnhof, die den Vögeln als Schlafbäume dienen, im Winterhalbjahr bis zu 800 Tiere.
Dass Heidelberg einmal das Zuhause von bis zu 10 000 Sittichen wird, wie es in Brüssel der Fall ist, hält Olschewski jedoch für unwahrscheinlich. Dies mag auch an den Brutvorlieben der Art liegen: In Heidelberg sind ihre bevorzugten Nistplätze begrenzt. Als sogenannter Höhlenbrüter macht der Halsbandsittich es sich am liebsten in Baumhöhlen gemütlich – und in Wärmedämmfassaden. Damit ziehen die Papageien regelmäßig den Unmut der Hausbesitzer auf sich.
Auch in der Landwirtschaft gibt es die Befürchtung, dass die grünen Vögel großen Schaden anrichten könnten. In Ländern wie Indien und Israel sind Halsbandsittiche dafür bekannt, sich an Obstplantagen und Getreidefeldern zu vergehen. Abgesehen von einigen angefressenen Garten- und Apfelbäumen hält sich der Schaden in und um Heidelberg bisher jedoch in Grenzen.
Die Vögel zieht es weg vom Landleben und in die Stadt: Dort ist das Mikroklima auch im Winter mild genug, um die kalte Jahreszeit wohlbehalten zu überstehen. Auf der Suche nach Futter durchstreifen die Sittiche das gesamte Stadtgebiet. Gegenüber einheimischen Vögeln können sie dabei durchaus Dominanz zeigen. „Uns liegen bisher aber keine Hinweise darauf vor, dass der Halsbandsittich andere Vogelarten gefährdet“, so Olschewski. „Denkbar wäre dennoch, dass die Art andere Baumhöhlenbewohner, wie Stare oder auch Fledermäuse, verdrängt.“
Ob die grünen Exoten wirklich eine Gefährdung für heimische Arten darstellen, müsse daher beobachtet werden. Weitergehende Handlungen seien aufgrund des geringen Kenntnisstandes allerdings nicht angemessen. Sittichfans kann Olschewski daher beruhigen: „Wir werden auf jeden Fall keine mit Flinten ausgestatteten Sittichjäger in Heidelberg erleben.“
Von Esther Megbel
Auch wie es Tauben in Heidelberg geht, haben wir vor einiger Zeit betrachtet. Den Artikel dazu findet ihr hier.