Christoph Sieber zeigt in seinem Programm „hoffnungslos optimistisch“ die großen Probleme der Welt am kleinen Mann. Auch beim Heidelberger Kabarettherbst „denke.schön“ des Kulturfensters begeisterte er sein Publikum
Mit „Denke.schön“ – dem Heidelberger Kabarettherbst bereichert das Kulturfenster Heidelbergs Festivallandschaft mit einer unterhaltsamen Kabarett-Reihe. Darin kündigen sich zehn Unterhaltungsabende an, die versprechen, in Heidelberg die „drei Hs“ des Kabaretts zu vereinen: Haltung, Humor und Hirn. Unter den Kabarettisten finden sich namhafte Vertreter ihrer Szene, wie Claus von Wagner, Hagen Rether, Jens Neutag, René Sydow und Christoph Sieber.
Letzterer durfte nach einer Auftaktveranstaltung den humoristischen Startschuss im Theater im Augustinum geben und beantwortete laut Programmankündigung „die großen Fragen unserer Zeit“. Im Gepäck hat er dazu ein auf die Innenpolitik konzentriertes Programm, das teilweise auch szenisch dargestellt, die großen Probleme der Welt am kleinen Mann demonstriert. Mit einem thematisch schweren Beginn über die Demokratie, das Burkaverbot und die Flüchtlingskrise, der durch die Vergleiche Siebers federleicht wirkt, erwärmt er das Publikum. „Ja, ohne Personalausweis ist die Zuteilung der 72 Jungfrauen im Himmel schwierig“, polemisiert er auf der Bühne, während die Zuschauerreihen lachen. Dabei, doch besonders in seinem Kapitel über die Digitalisierung der Gesellschaft, macht er Satire über den nicht-denkenden Deutschen und darüber, dass „wir heutzutage nicht mehr merken, wenn wir verarscht werden“. Grundsätzlich ein guter Ansatz, der jedoch mit Witzen wie „Wir sind halb Mensch, halb Handy“ und „Der Herd redet irgendwann mit dem Kühlschrank. Doch ich frage mich, was haben sie sich zu sagen?“ das überwiegend ältere Publikum begeistert, bei jüngeren Zuschauer doch eher veraltet und überholt wirkt.
Alle Generationen ansprechend hält er unserer Gesellschaft den Spiegel vor Augen mit einer ausführlichen Beschreibung des Zyklus des Onlineshoppings. Erheiternd beschreibt er die Szenen, die sich allwöchentlich auf der Poststation abspielen. Seine Fans kringeln sich vor Lachen – obwohl er nie vergisst, deutlich zu machen, dass sie sich über die überspitzte Realität amüsieren.
Natürlich vergisst Sieber nicht, auch seine Heimat, die Schwaben, auf die Schippe zu nehmen und schlüpft in die Rolle des Bäckereichefs Häberle. Zurück von einer Schulung ruft dieser seine Mitarbeiter zum Teammeeting mit der Frage: „How we can make Bäckerei Häberle great again?“ Was ihn beschäftigt ist die Chill-Out-Area im Verkaufsraum, „Coffee to go or not to go“ und weitere Anglizismen, die mit einem schwäbischen Dialekt so herrlich belustigend sind. So kommt er vom kleinen Ländle auch auf das große Europa mit dem gemeinsamen Feindbild, den Griechen, zu sprechen. Und dessen Untergang, der sich für Sieber in einem Franzosen mit E-Zigarette wiederspiegelt.
Nach einer kurzen Pause, zur Entspannung der Lachmuskeln, entwickelt sich sein Programm wesentlich bunter und abwechslungsreicher auf der Bühne. Denn dort trifft man nun auf Klaus-Dieter, einen komischen Typen mit weißem Blazer und protziger goldenen Brille, dessen unverschämter Reichtum nur noch lächerlich wirkt. Anschließend liest er das „Märchen von der Bundesrepublik Deutschland“ „gewidmet den Lehrern“ und es folgt eine Szene über das heutige Bildungssystem, bei der natürlich keine klischeehafte Anspielung über den Lehrberuf ausgelassen wird, denn Sieber freut sich mit den anwesenden Lehrkräften. „Hier ist man immerhin sicher vor den Schülern“, spöttelt er.
Natürlich sind das längst nicht alle sozialkritischen Punkte seines Programms. In den rund zwei Stunden streift er zudem das Thema Ernährung gefolgt von den Gefahren und Ausuferungen des Kapitalismus, die er mit einer Hip-Hop-Tanzeinlage, erinnernd an Helene Fischer und die Backstreet Boys zugleich, unterstreicht. Ein überraschendes Ende findet diese in Metall-Klängen und Head-Banging. Dabei neigt sich auch seine Show dem Ende und damit dem Höhepunkt. Sieber holt das goldene Buch von Goldman-Sachs und bittet um Absolution für unsere Gesellschaft. Bevor er erneut zum Mikrofon greift und rappt „Andy ist krass, denn er ist bei der Jungen Union“ und damit nur das Beste für die heutige Jugend wünscht. Denn sein Programm heißt „hoffnungslos optimistisch“ und diese Hoffnung begleitet sein Programm tatsächlich neben der allgegenwertigen Gesellschaftskritik.
So endet der Abend mit einer Zugabe und Christopher Sieber in nachdenklicher Stimmung, der dem Publikum mit auf den Heimweg gibt: „Ich will mich nicht gewöhnen, denn gewöhnen ist schlimmer als vergessen“.
Von Maren Kaps
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Kommende Veranstaltungen bei „denke.schön“ – dem Heidelberger Kabarettherbst
René Sydow „Warnung vor dem Munde!“ | 30 November | Kulturfenster
Frederic Hormuth „Halt die Klappe – wir müssen reden!“ | 1 Dezember | Kulturfenster
Claus von Wagner „Theorie der feinen Menschen“ | 14 Dezember | Theater im Augustinum (ausverkauft)
Jens Neutag „Mit Volldampf“ | 16 Dezember | Kulturfenster
Karten sowie alle weiteren information gibt es auf der Seite des Kulturfensters.
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