Der akademische Mittelbau kämpft mit befristeten Stellen, niedriger Bezahlung und schlechten Aussichten auf eine Professur. Die „Mittelbauinitiative Heidelberg“ engagiert sich dagegen.
[dropcap]S[/dropcap]eminare, Übungen, Tutorien – ein großer Teil der Lehre und auch der Forschung an Universitäten wird von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen ohne Professur, dem sogenannten Mittelbau, geleistet. Sie arbeiten häufig unter prekären Bedingungen mit befristeten Verträgen und ohne Planungssicherheit. Für dieses Problem versucht seit Februar 2016 die Mittelbauinitiative Heidelberg zu sensibilisieren.
Als Kern des Problems sieht die Initiative Kurzzeitverträge, Kettenverträge und eine zu hohe Drittmittelabhängigkeit. Auch die Bundesregierung versuchte, dagegen vorzugehen. Seit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz von 2007 dürfen wissenschaftliche Stellen an der Universität für maximal je sechs Jahre vor und nach der Promotion befristet sein. Das sollte den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen im Mittelbau ursprünglich ermöglichen, nach spätestens zwölf Jahren dauerhaft übernommen zu werden. In der Realität verlieren die meisten spätestens nach dem Ablauf der Frist ihren Arbeitsplatz.
Und auch vorher hangeln sich zwischen 200 000 und 400 000 junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in ganz Deutschland von einer befristeten Stelle zur nächsten, teilweise in sechsmonatigen Abständen. Während dieser Zeit ist es schwierig, für die Zukunft vorzusorgen. Wenn im Anschluss keine sichere und gut bezahlte Stelle folgt, droht deshalb vielen trotz Doktortitel die Altersarmut.
Zu unklaren Zukunftsperspektiven gesellt sich außerdem noch eine geringe Anerkennung der geleisteten Arbeit. „Gemessen an der hohen Arbeitsbelastung durch Forschung, Lehre und Selbstverwaltung sowie erbrachten Leistungen wie Publikationen und Habilitation ist die Wertschätzung und Leistungsgerechtigkeit beziehungsweise -entlohnung sehr gering“, so die Mittelbauinitiative Heidelberg.
Auch das Privatleben bleibt nicht von diesen Belas-tungen verschont. Die Betroffenen selbst leiden unter Stress und Unsicherheit, ihre Beziehungen unter häufigen Wohnortswechseln. Laut dem Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 zögern viele die Familienplanung weit hinaus, fast 50 Prozent der Befragten blieben endgültig kinderlos. Selbst die geschäftsführende Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig stellte fest: „Befristete Jobs wirken wie die Anti-Baby-Pille“.
Auch bundesweit bildet sich Widerstand. Im „Netzwerk gute Arbeit in der Wissenschaft“ organisieren sich Initiativen aus ganz Deutschland. Sie veranstalten Vorträge, Diskussionen und Demonstrationen, 2017 stürmten sie die landesweite Hochschulrektorenkonferenz in Potsdam.
Ziel sei der Aufbau einer Plattform für den Mittelbau zur hochschulpolitischen Willensbildung. „Uns ist klar, dass sich nichts von allein zum Besseren wendet,“ so die Initiative aus Heidelberg. Deshalb sei es ein Anliegen der Initiative, Mittelbau-Beschäftigte für das Thema weiter „zu sensibilisieren und zu vernetzen.“ Kleine Fortschritte zeichnen sich ab: Im Mai letzten Jahres wurden Änderungen am Wissenschaftszeitvertragsgesetz vorgenommen, die dazu führen, dass Zeitverträge der Dauer eines bewilligten Drittmittelprojekts entsprechen müssen, was die Laufzeit dieser Verträge verlängert.
Probleme wie fehlende Dauerstellen mit entsprechenden Aufgaben oder die Abhängigkeit von Betreuern, Prüfern und Vorgesetzten bleiben aber bestehen. Das große Umdenken hat also noch nicht eingesetzt.
Von Sara Wagener
[box type=“shadow“ ]
Akademischer Mittelbau in Deutschland
Zum Mittelbau gehören alle an Hochschulen in der Wissenschaft, Lehre oder Verwaltung Tätigen, die keine Professur haben, also auch Hiwis, Tutoren und Tutorinnen. Verschiedenen Schätzungen zufolge arbeiten zwischen 86 Prozent und 93 Prozent des Mittelbaus in befristeten Arbeitsverhältnissen. Statt Bezahlung lediglich eine Aufwandsentschädigung zum Beispiel für das Halten von Seminaren zu bekommen, ist aber keine Ausnahme. Geisteswissenschaftler erhalten häufiger Stipendien, die keine Altersvorsorge bieten, Naturwissenschaftler arbeiten eher auf 50-Prozent-Stellen. [/box]