Einen neues Viertel zu integrieren ist nicht leicht. In der Bahnstadt ist das Experiment geglückt.
[dropcap]S[/dropcap]eit geraumer Zeit entsteht im Süden Heidelbergs ein neuer Stadtteil, die Bahnstadt. Um den jüngsten Stadtteil Heidelbergs ranken sich zahlreiche Legenden von stickigen Wohnungen dank Passivhausbau, über exorbitant hohe Mieten bis hin zu wenig schmeichelhaften Äußerungen über die sterile Bauweise. Doch kaum ein Bewohner der anderen Stadtteile verirrt sich je in die Bahnstadt, um den Gerüchten auf den Grund zu gehen.
„Ich bin ursprünglich in die Bahnstadt gezogen, weil es ansonsten schwer war eine Wohnung in Heidelberg zu finden“, erzählt Misch Pautsch. Seit drei Jahren wohnt er in einem Ein-Zimmer-Appartement in der Bahnstadt und will auch dort bleiben. Er wohnt, typisch für den Stadtteil, in einem der Häuser, die die Vermieter als besonders studentengeeignet anpreisen. Campus Viva oder Campus Garden heißen die Komplexe, in denen die eigenen 22 Quadratmeter für bis zu 570 Euro im Monat zu haben sind. Ein stolzer Preis. Doch die Stadt greift den Studierenden unter die Arme. „Zwei Studierende können beispielsweise für ihre gemeinsame, förderfähige Mietwohnung von bis zu 70 Quadratmetern bis zu 280 Euro Förderung im Monat erhalten“, erläutert Achim Fischer, Pressesprecher der Stadt Heidelberg. Aktuell profitiere bereits jeder achte Haushalt im Viertel von der städtischen Wohnraumförderung. „Für Zuschüsse zu den Mietkosten stehen insgesamt sechs Millionen Euro bereit“, so Fischer weiter. Die finanzielle Unterstützung ist allerdings eingeschränkt. Nicht zu bezuschussen sei Wohnraum speziell für studentisches Wohnen, Gästehäuser und Wohnheime. Trotz der hohen Mieten gefällt es Misch in der Bahnstadt sehr gut.
„Man hat hier alles vor Ort, was man braucht. Die Einkaufsmöglichkeiten sind gut, das Kino kann ich zu Fuß erreichen und wenn man mal feiern gehen will, gibt es die halle02“, erzählt er. Nur Kneipen gebe es noch nicht. „Dafür muss man dann in die Untere“, meint Misch, „weil der Bahnhof in der Nähe ist, kommt man aber immer gut nach Hause.“ Seit Mitte Dezember fährt auch eine Straßenbahnlinie durch Heidelbergs jüngsten Stadtteil. Langfristig soll neben der nun eröffneten Linie 22 auch die Linie 26 durch die Bahnstadt führen.
Als einen Nachteil seines Wohnorts sieht Misch lediglich den Baulärm von den zahlreichen Baustellen. „Das Problem erledigt sich aber mit der Zeit“, meint er. Nach Auskunft der Stadt dauere es jedoch noch ein wenig, bis die großen Baustellen fertiggestellt seien.
Wie für Neubaugebiete üblich, gibt es besonders unter den studentischen Quartiersbewohnern nicht viele Kontakte. „Ich könnte dir nicht sagen, wer meine Nachbarn sind“, meint Misch.
Um das Problem der Kontaktknüpfung konkret anzugehen, ist 2012 ein Stadtteilverein ins Leben gerufen worden. „Als der Verein 2012 gegründet wurde, haben die Mitglieder noch nicht in der Bahnstadt gewohnt“, erzählt Heike Rompelberg vom Stadtteilverein Bahnstadt. Die Mitglieder des Vereins wollten jedoch ihren Bezirk von Anfang an mitgestalten. Rompelberg ist auch deshalb dort hingezogen, weil ein neuer Stadtteil die Möglichkeit bietet, schnell Kontakte zu knüpfen und eine Nachbarschaftsgemeinschaft mitzugestalten. „In der Weststadt oder in Neuenheim wäre ich vermutlich nicht auf die Idee gekommen, in einen Stadtteilverein einzutreten“, erklärt sie. Auch deshalb veranstaltet der Verein kleine Begrüßungsfeiern, wenn ein neues Haus bezogen wird. Außerdem finden regelmäßig Stammtische oder andere Freizeitangebote wie Fahrradtouren statt. Neben den zahlreichen Freizeitangeboten arbeitet der Zusammenschluss auch stadtpolitisch: „Wir sind vor Ort und bekommen mit, wenn etwas schief läuft“, erklärt Rompelberg, „Dadurch können wir Probleme bei der Stadt vorzeitig ansprechen und an Lösungen mitwirken.“
Dass das Leben in der Bahnstadt oft falsch dargestellt wird, ärgert Misch Pautsch wie Heike Rompelberg: „Jedem, den ich gefragt habe, gefällt es hier sehr gut.“ Auch das Leben in Passivhäusern, Häusern, die genauso viel Energie produzieren wie sie verbrauchen, stellt für beide kein Problem dar. „Ganz ehrlich, ich merke gar nicht, dass ich in einem Passivhaus lebe. Es gibt eigentlich keinen Unterschied“, sagt Misch. „Es lebt sich sehr gut im Passivhaus“, meint auch Rompelberg.
Wenn man durch die Bahnstadt läuft und mit den Bewohnern dort spricht, ist man erstaunt, wie viel sich dort schon entwickelt hat. Bis der Stadtteil wirklich belebt ist wird es aber sicher noch eine Weile dauern.
Von Esther Lehnardt