Obwohl Open Access die Verlagswelt in Aufruhr hält, beteiligen sich Studierende an der Diskussion bisher nicht. Dabei wird die Thematik auch in Zukunft eine große Rolle spielen.
[dropcap]I[/dropcap]m Studierendenrat (StuRa) der Universität Heidelberg ist es rund um Open Access still geworden. Die letzte Stellungnahme des StuRa stammt aus dem Jahre 2011 und auch aktuell scheint niemand zuständig zu sein. Im Gespräch antworten Studierende auf das Thema oftmals mit Ahnungslosigkeit und Schweigen. Hat die Debatte um Open Access keine Relevanz für die Studierendenschaft?
Open Access verfolgt die Idee, wissenschaftliche Literatur im Internet frei und kostenlos zur Verfügung zu stellen. Nur so kann Forschung aufeinander aufbauen und Erkenntnisse liefern, die die Gesellschaft voranbringen. Die Bundesregierung hat mit der Vorstellung ihrer Open-Access-Strategie bereits ihre Unterstützung bekundet und auch die Forschergemeinde ist nicht tatenlos geblieben. Unter dem Dach des Projekts DEAL verhandeln deutsche Wissenschaftsorganisationen und die Hochschulrektorenkonferenz mit den drei großen Wissenschaftsverlagen Springer Nature, Wiley und Elsevier um bundesweite Lizenzverträge. Von der Forschergemeinschaft wird der dauerhafte Volltextzugriff auf das gesamte Portfolio der online verfügbaren Journale zu angemessenen Preisen gefordert. Zusätzlich sollen sämtliche Publikationen aus deutschen Einrichtungen Open Access erscheinen. Seit mehr als einem Jahr wird nun schon nach einer Einigung zwischen den Parteien gesucht. Während mit den anderen Verlagen Übergangslösungen gefunden wurden, näherte sich Elsevier mit seinen Angeboten wiederholt nicht den Anforderungen von DEAL. Als Konsequenz kündigten knapp 200 Forschungseinrichtungen bundesweit darunter in Heidelberg die Universität, Pädagogische Hochschule und das Deutsche Krebsforschungszentrum- ihre Abonnements mit dem Großverlag zum Ende des letzten Jahres. Trotzdem lässt Elsevier die Zugänge zu seinen Onlineinhalten in diesem Jahr bisher weiter geöffnet.
Besonders die seit den Neunzigern stark angestiegenen Preise für Wissenschaftsmagazine verlangen nach einer Alternative, die ihre Befürworter in Open-Access-Modellen gefunden haben. Weltweit betragen die Kosten für die Zeitschriftenabonnements schätzungsweise 7,6 Milliarden Euro. Selbst Eliteuniversitäten wie Harvard können und wollen sich bei den exorbitanten Kosten nicht alle Zeitschriften leisten. In Deutschland werden mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr ausgegeben, wobei der Steuerzahler dreifach zur Kasse gebeten wird: Arbeiten von öffentlich finanzierten Wissenschaftlern werden von ebenfalls staatlich finanzierten Forschern im Peer Review geprüft, bevor sie in kostenpflichtigen Fachzeitschriften veröffentlicht werden. Diese Magazine werden am Ende von öffentlich bezahlten Bibliotheken und Instituten teuer angeschafft. Während die Öffentlichkeit mehrmals für die publizierten Ergebnisse der eigenen Forschung zahlt, erzielte Elsevier 2015 eine Gewinnmarge von 37 Prozent und ist somit profitabler als Google oder Facebook.
Zwar ist auch Open Access nicht umsonst, wäre aber ohne Schwierigkeiten mit den derzeitigen Ausgaben finanzierbar. Viele Universitäten haben Publikationsfonds zur Finanzierung der sogenannten Article Processing Charges eingerichtet, sodass Forscher ihre Arbeit nicht aus eigener Tasche bezahlen müssen. So auch die Universität Heidelberg. „Knapp 250 Artikel hat der Publikationsfonds 2017 finanziell unterstützt“, berichtet Jochen Apel, Leiter der Zweigstelle für Medizin und Naturwissenschaften der Universitätsbibliothek Heidelberg. Diese stellen aber nur einen Teil der offen publizierten Arbeiten dar: Im Jahr 2016 wurden insgesamt 17% aller Publikationen der Universität in wissenschaftlichen Fachmagazinen Open Access veröffentlicht. Viele dieser Werke wurden anderweitig finanziert, häufig über Drittmittel.
Neben dem Fonds bietet die UB ihre Abteilung „Publikationsdienste“ an, von der aus unter anderem auch der Heidelberger Universitätsverlag – „Heidelberg University Publishing“ (heiUP) betrieben wird. „Die Idee dabei ist, dass öffentliche Einrichtungen selbst Infrastrukturen aufbauen, mit denen wissenschaftliche Publikationen Open Access publiziert werden können“, erklärt die Open Access-Beauftragte der Universität Heidelberg, Maria Effinger. Traditionelle Magazine seien natürlich wichtig. „Mittlerweile haben sich aber auch viele Open-Access-Zeitschriften eine sehr gute fachliche Reputation aufgebaut“, so Effinger.
Kritiker wie der Heidelberger Literaturwissenschaftler Roland Reuß sehen die Wahrung der Urheberrechte der Autoren durch die zunehmende Digitalisierung ihrer Werke gefährdet. In seinem Heidelberger Appell von 2009 kritisiert er zudem, dass durch Open Access ein Zwang entstehe, auf eine vorgegebene Art zu publizieren. Für die Autoren bedeute dies einen gesetzeswidrigen Eingriff in ihre Presse- und Publikationsfreiheit. Die mit dem Appell verbundene Unterschriftenaktion erhielt viel Zuspruch durch zahlreiche Autoren, Verleger und Wissenschaftler, wurde von anderen Vertretern der Branche jedoch auch entschieden zurückgewiesen.
Über den aktuellen Diskussionen wird eine tiefgreifende Problematik außer Acht gelassen: Der Wunsch nach Open Access fußt auf einem Publikationssystem, das zu viele Veröffentlichungen hervorbringt. Die einzelne Arbeit wird weniger gewichtet als das Ranking des Magazins, in dem sie publiziert wurde. Forscher stehen dadurch enorm unter Druck, möglichst viele Ergebnisse in möglichst renommierten Journalen zu platzieren, um ihre Karriere nicht vorzeitig beenden zu müssen. Ob Open Access das Problem dahingehend verschärft, indem es eventuell einfacher wird, die eigene Arbeit an die Öffentlichkeit zu bringen, bleibt unklar. Deutlich wird, dass von den derzeitigen Nachwuchswissenschaftlern mehr Engagement gefordert ist. In der Right to Research Coalition, einem Zusammenschluss internationaler studentischer Organisationen, die sich öffentlich für Open Access ausprechen und darüber informieren, ist deutschlandweit nur ein einziger Verein vertreten. Noch werden große Entscheidungen von den älteren Generationen bestimmt. Bevor diese aber abtreten, sollten die künftigen Vertreter der Wissenschaftsgemeinde lernen zu sprechen.
Von Esther Megbel