Der Heidelberger Frühling veranstaltete einen Schubert-Abend rund um die beiden Ausnahmekünstler Isabelle Faust und Jean-Guihen Queyras. In der kleinen Besetzung ist das mindestens gut – in der großen schlicht umwerfend.
[dropcap]I[/dropcap]hr Klang hat Leidenschaft, er hat Biss und elektrisiert“, so beschrieb die New York Times kürzlich das Spiel der deutschen Wundergeigerin Isabelle Faust. Ein bisschen von diesem internationalen Glamour brachte sie an diesem Abend in die Stadthalle. Der prall gefüllte Saal jedenfalls wurde mucksmäuschenstill, als Faust die ersten Töne von Schuberts wenig bekannter „Fantasie für Violine und Klavier in C-Dur“ in die Weiten des Saales klingen ließ. Suchend, mit sehr viel Zeit und Ruhe legte sie die elegische Melodie über die unruhige Klavier-Untermalung Alexander Melnikovs. Unvergleichlich zart, voll schillernder Obertöne und fast ohne Vibrato – eine mühelose Perfektion, die einen im Mark erschauern ließ.
Auch sonst drehte sich an diesem Abend alles rund um das Werk des Frühromantikers Franz Schubert. Dem Programm ging es dabei besonders um die Verbindung seiner Instrumental- und Vokalmusik. Das macht Sinn, komponierte Schubert doch einen großen Teil seiner Kammermusik in Anlehnung an bereits entstandene Lieder. So wechselten sich an diesem Abend Lied und Instrumentalstück ab.
Die erste Hälfte des Konzerts stand dabei ganz im Fokus dreier Vorzeigekünstler: Der renommierte Bariton Georg Nigl präsentierte souverän und stimmgewaltig die beiden Kunstlieder „Viola“ und „Sei mir gegrüßt“, während Jean-Guihen Queyras (Cellist und Artist in Residence des Heidelberger Frühling) die „Arpeggione-Sonate“ mit zarten Linien, aber insgesamt etwas sehr zurückgenommenem Spiel zeigte. Faust schließlich schloss die sonst gute, aber – gemessen am Renommee der Künstler – nicht umwerfende erste Hälfte mit der hochvirtuosen Fantasie ab.
Die zweite Konzertpartie stand ganz im Zeichen der Forelle, zuerst das Lied, dann das gleichnamige Quintett für Klavier, Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Nicht, dass Nigl in irgendeiner Form enttäuscht hätte. Die Kombination von zwei Fausts an der Geige (Isabelle Faust) und Bratsche (Boris Faust), Queyras am Cello, Laurène Durantel am Bass und dem großartigen Alexander Melnikov am Klavier war schlicht aus einer anderen Welt. Individuelle Weltklasse traf hier auf einen Spielsinn, der Melodien scheinbar lückenlos von einem Instrument auf das andere springen, den Klang zu einem kompakten, biegsamen, immer wieder aufregenden Erlebnis werden ließ. Empfindsam, in seltener Einmütigkeit hielt das Pianissimo-Pizzicato der Streicher im ersten Satz inne, ließ den Moment zur Ewigkeit werden. Nur, um im nächsten Moment in opulentem, kämpferischen Fortissimo zu explodieren, mit der Forelle gegen die Strömung, den Angler und jegliche Ungemütlichkeiten dieser Welt anzuschwimmen. Schubert singt – in diesen Momenten hätte das wohl jeder Zuschauer unterschrieben.
Von Jakob Bauer