Eine neurechte Gruppierung mit Darstellungsdrang versucht in Heidelberg altes Gedankengut mit neuen Strategien zu verbreiten.
[dropcap]E[/dropcap]in handgemaltes Banner flattert an der Schlossterrasse, dahinter stehen dunkel gekleidete Menschen mit Handys und schwarz-gelben Fahnen, auf denen ein Lambda-Symbol zu erkennen ist. Das Zeichen gehört zu einer Gruppe, die sich als „Identitäre Bewegung“ (IB) bezeichnet. Ihre Mission: Die „Rettung“ Europas.
Auch im Studierendenwohnheim am Holbeinring sah man die Notwendigkeit, vor einer angeblichen Bedrohung durch Geflüchtete zu warnen. Hier verteilte die IB Bilder des Anschlags auf dem Breitscheidplatz in Berlin und gab dazu auf Flyern praktische Tipps für Frauen. So solle man beispielsweise auf körperbetonte Kleidung verzichten, um Angriffen zu entgehen. Ähnliche Inhalte fanden sich auf Plakaten, welche Mitglieder am Zaun des Wohnkomplexes anbrachten.
Ein hierzu angefragtes Statement der IB-Gruppe Rhein-Neckar lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
Jene Aktionen zielen nicht darauf ab, ein möglichst großes Publikum vor Ort zu erreichen. Vielmehr fokussieren sich die Mitglieder auf ihre Online-Präsenz, so wurden ihre Unternehmungen vielfach auf Facebook und Twitter verbreitet und geteilt. Unter anderem mitverantwortlich für diesen Erfolg (neu)rechter Strömungen ist Online-Aktivismus durch Troll-Netzwerke wie „Reconquista Germanica“, der zu großen Teilen über gefälschte Accounts und Bots funktioniert.
In ihren Aufritten bedient sich die IB einer neuartigen Terminologie, die nicht sofort zu einer Assoziation mit rechten Ideologien führt. Begriffe wie „Remigration“, stellen im Grunde nur eine Forderung nach Abschiebung von Ausländern dar. Dies sei Kalkül, findet Paul Schuster, Mitglied der Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Das Ziel sei die Inszenierung „eines elitären Habitus statt stumpfem Naziseins“, führt er aus. So erhoffe man sich Zuspruch vor allem unter jungen Leuten.
Die Gruppierung benötigt allgemein nicht viel Geld, da ihre Veranstaltungen meist eher kurzlebigen Charakter haben, aber durch geschickte Inszenierung den Anschein einer vielköpfigen Bewegung erhalten. Dennoch ist, besonders in der Region, eine Verbindung zur Burschenschaft Normannia wahrscheinlich, gibt Elke Messer-Schillinger von „AfD Watch Heidelberg“ zu bedenken. So könnten über reiche Eltern und „Alte Herren“ Gelder fließen. Zudem bestehe ein bekannter Kontakt der IB zu AfD-Stadträtin Anja Markmann in Bergheim und Bezirksbeirat Sven Geschinski in Kirchheim, ebenfalls von der AfD.
Organisiert ist die IB in Ortsgruppen, die nochmals in Regionalgruppen zusammengeführt sind. Nach Angaben des Verfassungsschutzes beträgt die Mitgliederzahl der baden-württembergischen Abteilung etwa 80. Auf einer europaweiten Ebene, denn Ableger der IB existieren sowohl in Österreich als auch Frankreich, funktioniert Sponsoring über die Crowdfunding-Plattform WeSearchr. So kamen genug Mittel zusammen, um ein Schiff zu chartern, das auf dem Mittelmeer Rettungsschiffe für Geflüchtete aufhalten sollte. Die Crew um Martin Sellner geriet zwar in Seenot und wurde letztendlich von eben diesen Schiffen gerettet, dennoch inszenierte der Österreicher die Aktion auf seinem populären Instagram-Account mit Selfies als abenteuerliche und gelungene Grenzsicherung.
An derartigen Aktionen, wie auch durch ihre Plakate wird deutlich, dass die IB versucht, mit emotionaler Provokation öffentliche Diskursräume zu erobern. Dabei führen empörte Reaktionen jedoch nicht zu Konstruktivität, sondern sie befeuern lediglich die ohnehin aufgeheizte Debatte.
Von Nele Bianga
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Die Identitäre Bewegung
Die Identitäre Bewegung ging aus dem französischen „Bloc Identitaire“ hervor. In Deutschland traten die Mitglieder im Jahr 2012 als Facebook-Gruppe auf, zwei Jahre später erfolgte die Registrierung als Verein. Ideologischen Kern der Gruppierung bildet das Konzept des „Ethnopluralismus“. Dies besagt, dass einzelne Völker oder Ethnien bestimmte zuschreibbare Eigenschaften besäßen. Zu ihrer Bewahrung fordert die IB eine strikte territoriale Trennung. Die europäische Identität werde also durch Zuwanderung in großem Maßstab, vor allem aus Ländern des Nahen Ostens, bedroht. In diesem Zusammenhang wird oft das verschwörungstheoretische Argument des „Großen Austauschs“ hinzugezogen, wonach feindliche Mächte daran arbeiten sollen, die Bevölkerungen europäischer Länder mit Zuwanderern zu ersetzen und so die Kultur zu zerstören. Zwar bedient sich die IB nicht klassischen rechten oder nationalsozialistischen Strategien, dennoch stuft der Verfassungsschutz sie als rechtsextrem ein. [/box]