Seltene Bücher, schöne Ausgaben und günstige Funde: Heidelbergs Antiquariate laden zum Stöbern ein
[dropcap]F[/dropcap]ür den einen oder anderen mag die Zeit, zu der man sich von seinem mehr oder weniger bequemen Sofa erhoben, den Fuß vor die eigene Haustür gesetzt und seine Schritte in eine Buchhandlung gelenkt hat, lange vorbei sein. Stattdessen bleibt das Sitzfleisch auf dem Sofa, der Laptop oder ein vergleichbares internetfähiges Gerät wird gezückt und der gewünschte Buchkauf mit einigen wenigen Klicks bei dem freundlichen Internetgroßkonzern von nebenan erledigt. Insbesondere Antiquariate scheinen durch diese Praxis mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten und mit ihnen auch ihre Vorzüge, die so leicht kein Onlineshop ersetzen kann. Um dem entgegen zu treten, nehmen wir für alle Freunde des gepflegten Stöberns in überquellenden Bücherregalen, Internet-Phobiker, Schnäppchenjäger und gerade dazu Bekehrten, Heidelbergs Antiquariate genauer unter die Lupe und stellen die besten Anlaufstellen vor.
Canicio
Am Ende der Plöck, kurz vor der UB, blicken die zwei Schaufenster des Antiquariats Canicio eher unscheinbar aus einer Hauswand. Hinter diesen verbirgt sich allerdings auf vergleichsweise kleinem Raum ein umfangreicher Bestand an gebrauchten Büchern. Thematisch erstreckt sich dieser von klassischer Literatur und Belletristik über geistes- und sozialwissenschaftliche Werke bis hin zu Kunstbänden und Reiseberichten. Zusätzlich sind einige Regalfächer mit fremdsprachiger Literatur gefüllt, die allerdings im Verhältnis zu dem gesamten Angebot einen eher kleinen Teil ausmacht. Lediglich Kunden, die nach naturwissenschaftlichen Schriften Ausschau halten, dürften hier selten fündig werden.
Alle Bücher sind dabei von durchweg hochwertiger Qualität, was sich teilweise auch in den Preisen niederschlägt. Diese sind im Vergleich oft etwas höher, allerdings in Hinblick auf den Zustand der Bücher mehr als gerechtfertigt. Als neuer Kunde braucht man etwas Zeit, um das System hinter der Ordnung der Bücher zu verstehen, da nicht alle Regale beschriftet sind und die alphabetische Zählung bei den literarischen Werken mehrmals zu Ende geführt wird und anschließend von vorne beginnt. Überwindet man allerdings dieses erste Hindernis, erweist sich die Ordnung als hervorragend. Dadurch gestaltet sich die gezielte Suche nach Büchern sehr angenehm, aber auch Freunde des entspannten Stöberns kommen auf ihre Kosten. Meistens bewegen sich nur wenige Besucher gleichzeitig in dem Antiquariat, was für eine leise und bedächtige Atmosphäre sorgt. Gleichzeitig entsteht mit dem im Gegensatz zu den meisten anderen Gebrauchtbuchläden sehr freien und aufgeräumten Innenraum zusätzlich genug Platz, um die Bestände entspannt zu durchforsten.
Sollte die Buchsuche dennoch zum Stocken kommen, findet der Kunde mit dem Besitzer die Liebenswürdigkeit in Person. Dieser sitzt gewöhnlich umringt von Büchern hinter einem MacBook, der sich so gar nicht in das Bild des restlichen Geschäfts einfügen will, und bietet bei allen Fragen und Belangen Hilfe.
Hatry
Die goldenen Lettern, die auf schwarzem Grund über dem Eingang des Antiquariats Hatry thronen, dürften den meisten schon einmal aufgefallen sein. Das mag wohl einerseits ihrem etwas aus der Zeit gefallen Anblick als auch der häufig frequentierten Hauptstraße, in der dieser Gebrauchtbuchhandel zu finden ist, geschuldet sein. Passiert man den Eingang, eröffnet sich dem Besucher über vier Etagen eine nahezu erschlagende Auswahl an Büchern. Wohin das Auge fällt, drängt sich Regal an Regal. Es finden sich Werke zu jedem nur erdenklichen Fachgebiet und zusätzlich eine Vielzahl von Platten, CDs und DVDs, was das Antiquariat Hatry in Heidelberg als sein Alleinstellungsmerkmal beanspruchen kann. Die Preise sind dabei meist sehr günstig, der Zustand der Bücher allerdings nicht immer optimal.
Die Kehrseite ist, dass sich das Geschäftsmodell, eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen, fast schon als zu effektiv erweist. Häufig ist das Geschäft mit einer Vielzahl von Kunden gefüllt, wodurch auch eine erhöhte Lautstärke und ein oft eintretendes Gefühl der Beengtheit, das durch viele auf dem Boden verteilte Kisten und Bücherstapel zusätzlich noch verstärkt wird, nicht ausbleiben. In Kombination mit der enormen Höhe der Regale, die oft allenfalls ein vages Erspähen der oberen Bände zulassen, kann das schnell dazu führen, dass sich das Stöbern in den Beständen oft als weniger vergnüglich erweist, als es deren Umfang zu
Anfang vermuten ließ. Da schaffen es dann auch die sporadisch aufgestellten Sitzmöbel nicht mehr, zu einem längeren Verweilen einzuladen.
Welz
In der Mönchgasse etwas abseits vom großen Trubel der Altstadt liegt das Antiquariat Friedrich Welz. Hier stellt sich dem geneigten Besucher allerdings eine anfängliche Hürde in Form der Öffnungszeiten in den Weg. So beschränken sich diese regulär auf lediglich vier Nachmittage pro Woche, ansonsten nach Vereinbarung.
In der Praxis ist der Besitzer aber weit öfter in seinem Geschäft vorzufinden, sodass sich Liebhabern des Glücksspiels auch außerhalb dieser Zeiten die Chance bietet, einen Einkauf zu tätigen. Den Schwerpunkt des Antiquariats bilden klassische Literatur sowie Werke der Philosophie, Psychologie und Sozialwissenschaften. Eine umfassende Auswahl dieser füllt übersichtlich geordnet die Regale. Interessenten an diesen Fachgebieten können sich hier somit gezielt ihre Buchwünsche erfüllen.
Die Ordnung zieht sich allerdings nicht durch die Bücher anderer Themenfelder, wie Kunst, Geschichte oder Reiseliteratur. Diese verteilen sich ohne übergeordnetes System auf Tische, Stapel und weitere kleinere Regale. Benötigt man Hilfe, kann man aber stets auf die äußerst zuvorkommende Beratung durch den Inhaber zurückgreifen. Eine Besonderheit liegt außerdem in einem großen Angebot an verschiedenen Gesamtausgaben, die hier sehr günstig zu erstehen sind. Abgesehen davon decken die Bücher ein weites Preisspektrum ab, bleiben dabei aber stets angemessen. Nicht zuletzt haftet dem Antiquariat Welz ein altmodischer, der hektischen Welt etwas entrückter Charme an, der dazu verführt, hier seine Mußestunden mit Stöbern zuzubringen.
Von Matthias Luxenburger