Ein neu entwickelter Bluttest erkennt Alzheimer schon Jahre vor den ersten Symptomen. Vielversprechende Ergebnisse liefert eine Langzeitstudie des Heidelberger Krebsforschungszentrums
Alzheimer ist eine Form von Demenz, die mit Gedächtnisverlust, Verwirrung sowie Stimmungs- und Verhaltensänderungen einhergeht. Zurzeit verfügbare Therapien können Patienten nicht heilen, sondern verlangsamen lediglich den Krankheitsverlauf. Das liegt auch daran, dass die Diagnose der Erkrankung zu spät erfolgt.
Erste strukturelle Veränderungen im Gehirn der Betroffenen erfolgen schon 15 bis 20 Jahre vor dem Auftreten erster klinischer Symptome, zum Zeitpunkt der Diagnose sind sie bereits irreparabel. Diagnosetests, mit denen man diese Veränderungen schon frühzeitig nachweisen kann, sind zu teuer oder zu invasiv, als dass man sie standardmäßig nutzen könnte. Was fehlt, ist eine kostengünstige Alternative.
Eine solche wurde nun vom Team unter Klaus Gerwert an der Universität Bochum entwickelt und mit Hilfe des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Krebsregisters Saarland getestet: Mit einem einfachen Bluttest ist es nun möglich, krankhafte Strukturen zu erkennen, bevor erste klinische Symp-tome auftreten. Eines der Hauptkennzeichen von Alzheimer sind Ablagerungen sogenannter Beta-Amyloiden. Die krankhaft gefalteten Peptide, also Aminosäureketten, verklumpen miteinander und können vom Körper nicht mehr abgebaut werden. Allerdings lassen sie sich schon früh im Blut feststellen – und genau darauf zielt der Diagnosetest, ein Immuno-Infrarot-Sensor, ab: Antikörper, die an dem Sensor befestigt sind, werden dazu genutzt, die Beta-Amyloidpeptide aus dem Blut herauszufischen. Dann werden diese mit Infrarot bestrahlt. Je nachdem, wie die Peptide gefaltet sind, entsteht ein unterschiedliches Streuungsspektrum. Übermäßig oft krankhaft gefaltete Peptide können somit erkannt werden.
Gerwert präsentierte erste vielversprechende Ergebnisse am Rande eines Vortrags vor der Arbeitsgruppe „Klinische Epidemiologie und Alternsforschung“ unter Herrmann Brenner am DKFZ in Heidelberg. Die Gruppe beschäftigt sich mit den Ursachen und Folgen von Krebserkrankungen und führt unter anderem große Studien durch, um beispielsweise Risikofaktoren für Krebs zu ermitteln oder die Krebspräventation zu verbessern.
Laura Perna, Wissenschaftlerin in Brenners Arbeitsgruppe, kontaktierte Gerwert direkt nach seinem Vortrag: „Ich fragte ihn, ob er daran interessiert sei, die Genauigkeit seines Tests in einer Langzeitstudie zu testen.“ An der besagten Studie nahmen seit 2000 über 14 Jahre lang 970 Probanden teil, deren Blut in regelmäßigen Abständen entnommen wurde. Durch Perna ergab sich nun die Möglichkeit, diese Proben auch mit dem Immuno-Infrarot-Sensor zu untersuchen: Mit einer Diagnosegenauigkeit von 86 Prozent wurde rund acht Jahre vor dem Auftreten erster klinischer Symptome die krankhafte Faltung der Beta-Amyloide festgestellt.
Das frühe Erkennen dieser strukturellen Veränderungen anhand eines einfachen Bluttests birgt großes Potential. Um ihn klinisch einzusetzen, muss jedoch zunächst seine Genauigkeit verbessert werden. Perna sieht in dem Bluttest die Möglichkeit, größere Mengen an Patienten zu screenen: „Patienten mit einem positiven Ergebnis sollten dann mit teureren und komplexeren Verfahren weiter untersucht werden“. Für die Zukunft sind weitere Langzeitstudien bereits geplant.
Von Susanne Ibing