Volle Straßen und schlechte Nahverkehrsanbindungen: Verkehrsexpertin Ursula Kloé erklärt, wie Smart Mobility Probleme lösen kann und warum ein eigenes Auto nicht mehr notwendig ist.
In ihrem Heidelberger Start-Up „Ju-Know“ beschäftigt sich Ursula Kloé mit der Sicht von Nutzern auf neue Entwicklungen in der Mobilitätsbranche und berät hierzu Unternehmen.
Das Erste, womit der Begriff Smart Mobility verbunden wird, ist vermutlich das autonome Fahren. Wann sehen wir selbstfahrende Autos in den Straßen Heidelbergs?
Die Technik zum autonomen Fahren ist bereits sehr weit, für die Anwendung in einer Stadt mit Mischverkehr aus autonomen und nicht autonomen Fahrzeugen fehlen allerdings noch die rechtlichen Rahmenbedingungen. Wahrscheinlich ist, dass autonome Fahrzeuge zunächst für den öffentlichen Nahverkehr eingesetzt werden. In diesem Bereich gibt es schon erfolgreiche Pilotprojekte mit autonom fahrenden Kleinbussen. In Heidelberg könnte ich mir zum Beispiel auf dem Campus im Neuenheimer Feld autonom fahrende Shuttles vorstellen, für Patienten, Angehörige, Mitarbeiter. Oder wenn das Patrick Henry Village wieder bewohnt wird, dann könnten es selbstfahrende Shuttles an die Stadt anbinden.
Was gehört außer den selbstfahrenden Autos zu Smart Mobility?
Ein zentraler Gedanke ist hier die Connectivity: Das Sharing von Fahrzeugen oder Wegstrecken, zugänglich über das Smartphone, könnte dem Verkehrsinfarkt in den Städten entgegenwirken. Zudem könnte die Verknüpfung der einz
elnen Verkehrsteilnehmer mehr Sicherheit schaffen. Ein Beispiel: Bisher informiert der Totwinkelassistent in Autos und LKW beim Rechtsabbiegen über Radfahrer. Über Connectivity funktioniert das gegenseitig: Fußgänger und Radfahrer könnten über eine App aktiv Signale aussenden, die wiederum durch die Systeme im Auto oder LKW registriert werden und umgekehrt.
Im ersten Moment mag das sicher klingen – aber ist nicht die Gefahr groß, dass man sich zu sehr auf die Technik verlässt?
Das ist eine berechtigte Frage, zumal die jüngsten Unfälle mit autonomen Fahrzeugen tatsächlich nicht von der Technik, sondern durch Menschen verursacht wurden. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Zahl der Unfälle insgesamt sinken wird, weil mit der Technik Unachtsamkeit oder menschliche Fehlentscheidungen in kritischen Situationen ausgeschlossen werden können.
In Heidelberg sind die Mobilitätsprobleme recht offensichtlich: In der Rush Hour sind die Straßen der Stadt vollgestopft. Kann Smart Mobility hier eine Lösung bieten?
Smart Mobility bietet die Chance, die Menschen zum Umdenken und Umsteigen zu bewegen. Das eigene Auto kann sein Mobilitätsversprechen nicht mehr überall halten. Aber von der Feststellung zur Verhaltensänderung ist es oft ein langer Weg. In Zukunft wird wichtig sein, die Menschen dazu zu bewegen, nicht mehr in ‚Fahrzeug‘ zu denken, sondern in ‚Strecke‘.
Wir brauchen einen guten ÖPNV mit engen Taktzeiten und erschwinglichen Tickets, zusätzliche Angebote wie Leihräder, Leih-E-Bikes, Leihlastenräder von Geschäften oder der Stadt, Sammeltaxis, Carsharing und Mitfahrgelegenheiten. Und die Möglichkeit, mit Smart Mobility, zum Beispiel einer App, zentral auf alles zugreifen und dort auch direkt bezahlen zu können. Dann werden die Menschen allmählich nicht mehr automatisch zu ihrem Autoschlüssel greifen, um dann im Stau zu stehen. Einige dieser Angebote haben wir in Heidelberg bereits, aber da ist noch Raum für Neues, Innovatives.
Wie groß ist die Gefahr, dass Auswahlmöglichkeit geschaffen, aber nicht genutzt wird?
Wir plädieren dafür, bei Pilotprojekten nicht nur auf die Technik zu fokussieren, sondern von Anfang an die Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen. Zum Beispiel bei autonomen Shuttles: Bei perfekter technischer Funktion bleibt die Frage, wie man emotionale Sicherheit schaffen kann. Wer heute nachts in die Straßenbahn steigt und sich in einem Wagon unwohl fühlt, wechselt in einen anderen. Bei einem kleinen, autonom fahrenden Shuttle mit nur einer Kabine braucht man dafür eine Lösung.
Auch müssen wir verstehen, warum sich Pendler täglich in den Stau stellen: Sie rechtfertigen die zwanzig Minuten als ‚Zeit für mich‘ oder ‚zum Abschalten‘. Alternativen müssen ähnlich emotional positiv ansprechen wie das eigene Auto, um angenommen zu werden.
Wie bewegen sich die Heidelberger in 25 Jahren fort?
Ich würde mir wünschen, dass wir ein Angebot haben, das die Leute überzeugt, innerhalb der Metropolregion nicht mehr das eigene Auto zu nehmen, sondern gar kein eigenes mehr zu besitzen. Viele Großstädter machen das heute schon vor. Mit einem nahtlos ineinandergreifenden Angebot aus ÖPNV, Sharing von Autos, Lastenrädern und Fahrrädern, Mitfahrmöglichkeiten, Shuttlebussen, Poolingfahrzeugen und so weiter, alles zugänglich über das Smartphone oder die Technik, die uns dann begleiten wird, könnten wir die Stadt noch lebenswerter machen.
Das Gespräch führte Susanne Ibing.