Das BAföG muss besser werden, darin sind sich alle einig. Doch wem das Geld vom Staat in welcher Höhe zugute kommen soll, ist umstritten. Sollte es für alle unabhängig vom Einkommen der Eltern gezahlt werden?
Bildung ist für mich die entscheidende soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Denn Bildung ist die mit Abstand größte Chance für den sozialen Aufstieg. Wir leben in einer Welt, in der man ohne Studienabschluss schon heute in vielen Bereichen keinen Job mehr findet. Das ist eine Entwicklung, die sich die nächsten Jahre nur verstärken wird. Deshalb müssen wir es allen ermöglichen, ihr individuelles Bildungsziel zu erreichen – inklusive Hochschulzugang. Herkunft und Elternhaus dürfen dabei nicht zum Hindernis werden. Als die SPD-FDP-Koalition das BAföG eingeführt hat, sollte dadurch Kindern aus weniger wohlhabenden Familien das Studium ermöglicht werden. Trotzdem studieren heute nur 23 von 100 Nicht-AkademikerInnen-Kindern – im Gegensatz zu 80 von 100 AkademinerInnen-Kindern. Für zu viele bleibt das Studium ein fast unkalkulierbares Risiko. Deswegen muss Schluss sein mit der „Black Box“ BAföG. Einfach, transparent, und vor allem sicher – all das ermöglicht nur eine elternunabhängige Ausbildungsförderung.
These 1: Vom elternunabhängigen BAföG für alle profitieren vor allem diejenigen, deren Eltern schon genug Geld haben.
Wer denkt, dass 86 Prozent der Studierenden „wohlhabende“ Eltern haben, der lebt in seiner eigenen Realität. Kinder von Eltern mit Durchschnittseinkommen können heutzutage von diesem Einkommen oftmals nur sehr wenig für ihr Studium verwenden. Aber darum geht es im Kern nicht: Ein elternunabhängiges BAföG schafft die Freiheit, seinen eigenen Weg gehen zu können – egal, ob dieser den Eltern passt. Vorbei wäre die Zeit, in der die Eltern die finanzielle Unterstützung an bestimmte Studienfächer koppeln könnten. Vorbei wäre die Zeit, in der Studierende aus Haushalten mit mehreren (schulpflichtigen) Geschwistern benachteiligt wären. Und vorbei wäre die Zeit, in der ein Wasserschaden im Haus der Eltern die Studienfähigkeit der Kinder beeinträchtigt. Das elternunabhängige BAföG ist Freiheits- und Sicherheitsgarant für den Einzelnen – unabhängig von seiner Herkunft.
These 2: Der bürokratische Aufwand eines BAföG-Antrags würde stark verringert werden.
Mehr als 90 Prozent aller BAföG-Anträge sind fehlerhaft oder unvollständig. Wer schonmal einen BAföG-Antrag gestellt hat, weiß um den Dschungel an Formblättern, Einkommensnachweisen, Mietverträgen, Bescheinigungen und vielem mehr. Das wiederholte Antanzen beim BAföG-Amt und die teilweise um Monate verzögerte Auszahlung erledigen ihr Übriges.
Neben dem Aufwand sorgt das auch für Rechtsunsicherheit. Denn kleine Fehler können schwere Folgen haben! Ein elternunabhängiges BAföG würde all das überflüssig machen – eine gültige Studienbescheinigung und ein einziges (Online-)Formblatt würden ausreichen. So könnte der Staat mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr einsparen – und gleichzeitig allen Studierenden das Leben einfacher machen. Und das Geld wäre dann auch öfter pünktlich auf dem Konto.
These 3: Das Hauptproblem des BAföG ist seine seltene Anpassung, nicht die Anzahl der Leute, die es bekommen.
Das sehe ich anders! Laut der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks arbeiten 68 Prozent der Studierenden während der Vorlesungszeit – mehr als 85 Prozent davon, um überhaupt über die Runden zu kommen.
Gleichzeitig geht die Regelstudienzeit inklusive vorlesungsfreier Zeit von einer Wochenstudienleistung von 37,5 Stunden für das Studium aus. Ein Spagat, der eigentlich nicht zu schaffen ist. Nun spricht nichts dagegen, zu arbeiten, um sich mehr leisten zu können. Das bleibt dem oder der Einzelnen überlassen. Aber obwohl nur circa 14 Prozent der Studierenden BAföG bekommen, würden mehr als zwei Drittel eine Unterstützung benötigen, um ihre Grundbedürfnisse ohne Nebenjob decken zu können. Das wäre aber die Voraussetzung, um ein echtes Vollzeitstudium zu betreiben – wie es der Bologna-Prozess vorsieht. Zeit, etwas zu ändern.
Von Dennis Nusser