Wie erleben Studierende den Fastenmonat Ramadan? Unsere Autorin nahm eine Woche daran teil und stellte ihre Selbstdisziplin auf die Probe
[dropcap]N[/dropcap]ur noch sieben Minuten!” Ich beobachte Houssem, wie er sich eilig ein Sandwich zubereitet, danach möglichst viel Wasser trinkt. Nach meiner Anmerkung, die Sonne sei noch gar nicht aufgegangen, erklärt er mir die Vorgaben des Ramadan genauer: Das tägliche Fasten beginnt mit dem Fajir-Gebet gegen drei Uhr morgens und endet mit dem Iftar-Mahl am Abend. Dabei verschieben sich die genauen Zeiten mit dem Stand des Mondes täglich um circa eine Minute nach hinten. Auch der geografische Standort ist entscheidend. So beläuft sich in Heidelberg die Fastenzeit auf knapp 19 Stunden.
Somit sind für mich die Bedingungen der nächsten Woche abgesteckt – ich werde sieben Tage fasten, nach Vorgaben des Ramadan. Und obwohl ich die Antwort eigentlich kenne, frage ich, ob ich während dieser Woche zumindest rauchen dürfte. Grinsend legt mir Houssem, einer meiner engsten Freunde in Heidelberg, nahe, die Zeit zum Anlass zu nehmen, schlechte Gewohnheiten abzulegen. Auch auf Sex und Alkohol solle ich diese Woche verzichten.
Mein Ramadan begann an einem Sonntag. Motiviert installierte ich eine App mit Namen „Muslim Pro“, welche die genauen Fastenzeiten berechnet. In der kühl-modernen Eintönigkeit der UB, weit entfernt von Kühlschränken oder Cafés, fiel mir mein Vorhaben noch vergleichsweise einfach. Schon am darauf folgenden Tag musste ich allerdings feststellen, dass ein Uni-Tag ohne Kaffee schwierig wird. Die Stunden dehnten sich bis zur montäglichen Redaktionssitzung und dem Besuch unserer Stammkneipe danach. Als es schließlich soweit ist, wird mir eine wichtige positive Auswirkung der Woche deutlich: Ich werde kaum Geld für Essen oder Trinken ausgeben müssen, zum Monatsende eine hochwillkommene Situation. Um mir eine Limonade und ein Sandwich leisten zu können, lud mich eine mitfühlende Redakteurin schließlich ein, auch wanderten sämtliche Oliven und Snacks an meinen Platz. Letztendlich geht es im Ramadan zu einem großen Teil um Gemeinschaft, das zumindest wurde an jenem Abend deutlich.
Seit Beginn meines Versuchs lagen die Temperaturen um die 30 Grad, irgendwann führte der Verzicht auf Wasser zu konstanten Kopfschmerzen. Ein Kommilitone versicherte mir, dass es ihm ähnlich ginge und dass er während des Monats mehr rauche als sonst, da es das Hungergefühl stillt. Ich gab zu, meinen Zigarettenkonsum zwar eingeschränkt, aber seit Beginn der Woche nicht komplett darauf verzichtet zu haben. Seine Entgegnung blieb mir im Gedächtnis: „Du musst dich vor keinem Menschen rechtfertigen. Das ist alleine zwischen dir und Gott.“
In weiteren Gesprächen mit Kommilitonen und Freunden wurde mir zunehmend deutlich, dass ich in meinem Selbstversuch den eigentlich zentralen Aspekt des Fastenmonats vernachlässigte: Als nicht-gläubige Person versuchte ich zwar, die spirituelle Seite nachzuvollziehen, doch ganz wollte mir das bisher nicht gelingen. Welchen Sinn soll es erfüllen, wenn ich versuche, einen so essentiellen Aspekt einer Religion, der ich nicht angehöre, pro forma zu erfüllen? Dennoch wollte ich, wenn schon nur aus Neugierde und um der Herausforderung willen, das Fasten fortführen. Mitte der Woche verabredete ich mich zum Grillen auf der Neckarwiese, verteidigte mich gegen mein Hungergefühl und die nicht enden wollenden Fragen meiner Kumpel, ob Ramadan nicht eigentlich total ungesund sei. Immerhin erst nach 21:20 Uhr und einer gehörigen Portion Relativismus entschloss ich mich zu einem halben Glas Rosé. Donnerstags besuchte ich meine Familie und glaubte, Rückgrat beweisen zu müssen, indem ich während der sechsstündigen Zugfahrt nicht einen Schluck Wasser zu mir nahm – nur um später zu lernen, dass auf Reisen Fasten nicht verpflichtend ist.
Am Wochenende luden uns Freunde meiner Eltern zum Iftar-Mahl ein. Die Tischplatte bog sich unter verschiedensten Gerichten – später am Abend kamen wir bei Kaffee und Baklava ins Gespräch. Auf meine Frage, was für sie ein schöner Aspekt des Ramadan ist, überlegte Ameni einen Moment: „Ich fühle mich während dieser Zeit sehr verbunden zu Allah und ich mag die Gemeinschaft und das Zusammensein am Abend.“ Ihr Mann Belal ergänzt: „In Damaskus haben wir immer alle zusammen gefeiert – und das Zuckerfest! An Leute auf der Straße wurde Essen verschenkt, es gab Musik …“ Auch mein Selbstversuch wurde sehr positiv aufgenommen. Zwar konnte dieser durch die Kürze der Zeit und das Fehlen eines religiösen Hintergrundes nur relativ oberflächlich passieren, Anlass für ein Hinterfragen meines Konsums und meiner Gewohnheiten boten die vergangenen sieben Tage auf jeden Fall.
Von Nele Bianga