Die Heidelberger Sprachschule „GebärdenVerstehen“ möchte mit kostenlosen Schnupperkursen auch Hörende ansprechen
[dropcap]I[/dropcap]m Seminarraum der Heidelberger Sprachschule „GebärdenVerstehen“ ist es mucksmäuschenstill. Kein Gerede, nicht einmal ein Flüstern ist zu hören. Trotzdem findet im Saal muntere Unterhaltung statt – aber eben auf deutscher Gebärdensprache (DGS), einer Sprache, die in Deutschland zum Großteil von Gehörlosen und deren Verwandten verwendet wird, in der allgemeinen Öffentlichkeit jedoch ein Schattendasein fristet. Ich habe mich zum Schnupperkurs des Vereins angemeldet, um während einer anderthalbstündigen Einführung einen Einblick in die Welt der deutschen Gebärdensprache zu bekommen.
Es ist kaum jemandem bewusst, dass es tatsächlich eine deutsche Gebärdensprache gibt, und nicht nur eine internationale. Auch ist die DGS zum Beispiel nicht mit der Österreichischen Gebärdensprache verständlich; die beiden gehören zu verschiedenen Sprachfamilien. Auch hat die DGS eine ganz andere Struktur als gesprochenes Deutsch, es gibt zum Beispiel kein Zeichen für „sein“.
Mit dieser Info lässt sich schon der ganze Schnupperkurs, den die Schule regelmäßig anbietet, besser verstehen: es geht nicht darum, innerhalb von zwei Stunden möglichst viele Gebärden zu lernen, oder gar die Sprache am Ende eines Halbtages zu beherrschen, sondern darum, uns Hörenden eine Einführung in die Kultur, Sprache und das Leben Gehörloser in der Bundesrepublik zu geben. Auch Hörende können von Kenntnissen der DGS profitieren, so unter Wasser im Schwimmbad oder in sehr lauten Räumen, wie Julia Kunze, die Organisationsmanagerin der Schule, erklärt. Am Anfang stehen ein paar kleinere Gebärden: ich, du, hörend, gehörlos, gut, mittelmäßig, schlecht, Buch, Eis, und natürlich das Fingeralphabet, bei dem ich mich fühle, als ob ich auf einmal acht Finger pro Hand habe, die ich unmöglich in die Positionen des Alphabets verrenken kann. Mit ein bisschen Hilfe des Kursleiters Marcel schaffe ich es dann doch, mich den anderen Kursteilnehmern namentlich vorzustellen, ganz ohne gesprochene Worte natürlich.
Zusätzlich erzählt uns Marcel, dass die DGS sehr stark mit Mimik und Körperhaltung arbeitet. So kann man etwa nicht mit einem traurigen Gesichtsausdruck gebärden, dass es einem gut geht. „Gebärdensprachen werden mit Hand- und Armbewegungen, Mimik, Kopf- und Oberkörperhaltung artikuliert und über die Augen wahrgenommen. Auch der starke Einsatz von Mimik, auch in grammatischer Funktion, ist für viele zunächst fremd”, so Julia Kunze.
Das merke ich auch: nach den anderthalb Stunden fühle ich mich so müde, wie ich sonst nach vier Stunden Russischkurs bin. Am liebsten möchte ich einfach die Augen schließen und meine Hände in den Taschen vergraben.
Wozu sich also diese Anstrengung antun, gerade für eine Sprache, mit der man sonst wenig Kontakt hat? Nun kann ich, wenn ich nächstes Mal eine gehörlose Person treffe, mit ihr einige Worte auf DGS wechseln, so wie ich auch für den Schwedenurlaub „tak“ und „snella“ lernen würde. Und wenn ich das nächste Mal in der lauten und überfüllten Destille bin, kann ich meinen Freunden an der Theke gebärden, welches Getränk ich möchte, oder dass ich kurz an die frische Luft gehe. Zu guter Letzt bin ich nun auch ein wenig mehr für die Belange Gehörloser sensibilisiert, und habe Einblicke in ihre alltäglichen Probleme mit der Zugänglichkeit in unserer Gesellschaft bekommen.
Der nächste Schnupperkurs findet im September 2018 statt.
Von Hannah Steckelberg