Die Altstadt gilt als größte der Heidelberger Verkehrs-Problemzonen. Ein neues Konzept mit absenkbaren Pollern soll die Autoflut in den engen Gassen bremsen.
[dropcap]F[/dropcap]ahrräder und Autos im Zweikampf auf der Plöck, Lieferwagen und Busse, die Fußgänger in Gefahr bringen, wild parkende Autos in den Seitengassen – die Mängelanalyse, die im Februar bei einem Arbeitskreis für den Altstadtverkehr vorgestellt wurde, ist lang. Die engen Gassen von Heidelbergs romantischem Aushängeschild sind schon seit Langem ein Sorgenkind von Bürgern und Verkehrsplanern.
Ein zentrales Problem stellen die zahlreichen Autos dar, die in den engen Gassen und als Lieferverkehr sogar in der Fußgängerzone unterwegs sind. Parkmöglichkeiten gibt es nur wenige, und so wundertes kaum, dass die Altstadt unangefochtener Spitzenreiter aller Stadtteile in Sachen Parksündern ist. Wie die Pressestelle der Stadt dem ruprecht gegenüber bestätigt, hat der Gemeindevollzugsdienst (GVD) im vergangenen Jahr in der Altstadt weit überdurchschnittlich viele Strafzettel verteilt. Die über 23 000 Verwarnungen sind etwa 18 Prozent aller Verwarnungen im ganzen Stadtgebiet, obwohl die Altstadt in Sachen Fläche und Anwohnerzahl einen viel kleineren Teil der Stadt ausmacht. Hier konzentrieren sich auch die Abschleppungen, wenn Fahrzeuge beispielsweise Rettungswege versperren – mit 171 sind das rund 63 Prozent aller abgeschleppten Autos in ganz Heidelberg. Die Zahlen sind im Vergleich zu 2016 ähnlich; erneut gab es 2017 zwei einwöchige Schwerpunktaktionen, in denen die Altstadt intensiv kontrolliert wurde. Große Massen an geparkten Fahrrädern sind nach Angaben der Stadt zwar ebenfalls ein Problem, und der GVD verteilt Hinweiskarten an den im Weg stehenden Drahteseln, doch: „Bisher ist vom GVD noch keine Räumaktion in diesem Jahr ge-plant“, so die Pressestelle der Stadt. In der Vergangenheit waren Fahrräder in großem Stil beispielsweise vor der Universitätsbibliothek entfernt worden.
Bei der Verfolgung von Verkehrssündern setzt der GVD oft auf Hinweise aus der Bevölkerung – auch hier ist die Altstadt mit etwa einem Viertel aller Beschwerden weit überdurchschnittlich vertreten. Unter den Altstadt-Anwohnern scheint es also vermehrt Frust über die Verkehrssituation zu geben. Ein Ventil hierfür stellen Bürgerforen und ein Arbeitskreis für ein neues Verkehrsberuhigungskonzept dar, aber um auf die Verärgerung hinzuweisen, greifen einige auch zu anderen, öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen. Die Bürgerinitiative „Leben in der Altstadt“ zeigt auf ihrer Webseite eine Fotogalerie von Falschparkern und zugeparkten Plätzen und Gassen mit zensierten Kennzeichen. Ähnlich funktioniert die App „Wegeheld“, bei der Nutzer Verkehrssünder fotografieren und anonymisiert auf einer Karte mit verknüpftem Twitter-Profil an den digitalen Pranger stellen können.
Auch Heidelberg ist vertreten, allerdings mit viel selteneren Einträgen als in anderen deutschen Großstädten. Das könnte mitunter daran liegen, dass die Stadtverwaltung von solchen Apps sehr wenig hält, obwohl sie sogar die Möglichkeit bieten, direkt eine Anzeige per Mail an das Ordnungsamt zu schicken. Die Pressestelle betont, eine solche Privatanzeige müsse immer noch von einem GVD-Mitarbeiter überprüft werden. „Von daher stehen wir diesen technischen Möglichkeiten skeptisch gegenüber.“
Seit einigen Monaten jedoch zeichnen sich im Rahmen des Arbeitskreises neue Lösungen ab. Der zentrale und wohl auch radikalste Vorschlag sind versenkbare Poller, die die Zufahrtsstraßen zur Altstadt versperren sollen. Die Idee hatte bereits im vergangenen Jahr der „Pollerbeauftragte“ der Stadt Salzburg vorgestellt, wo sich das Konzept bewährt hat. Bei der Diskussion des Vorschlags Anfang 2018 hatte der Verkehrsmanager der Stadt, Alexander Thewalt, betont: „Poller sind die technische Umsetzung bereits bestehender Regeln.“ Und so sollen sie nicht generell alle Autos aus der Altstadt aussperren, sondern bleiben beispielsweise morgens von sechs bis elf Uhr für den Lieferverkehr geöffnet. Ansonsten ist ein elektronisches System vorgesehen, mit dem Anwohner und Besucher die Poller absenken lassen können. Während der Einzelhandel das Konzept bisher akzeptiert, befürchtet die Handwerkerinnung große Einschränkungen. Der Gemeinderat könnte noch im Herbst diesen Jahres über das Verkehrsberuhigungskonzept abstimmen, für das 1,6 Millionen Euro veranschlagt werden.
Von Simon Koenigsdorff