Bei den Schlossfestspielen glänzt Carlo Goldonis „Der Diener zweier Herren“ durch eine herausragende Besetzung. Wenn nur die Inszenierung nicht wäre
Truffaldino hat es nicht leicht. Denn Truffaldino, Genussmensch und Diener im Venedig des 18. Jahrhunderts, hat Hunger. Seine Brotherrin ist nun leider Beatrice Rasponi, die so mit der Suche nach ihrem Geliebten beschäftigt ist, dass sie die Auszahlung des schmalen Gehalts nur allzu oft verschwitzt. „Selbst ist der Diener“, denkt sich Truffaldino, als ein mysteriöser Fremder im Gasthaus auftaucht: Ab nun arbeitet der Ewighungrige für zwei Herren. Die dürfen freilich nichts voneinander wissen und so verstrickt sich Truffaldino in einer – im wörtlichsten Sinne – absurd komischen Mischung von Ungeschick und Bauernschläue immer tiefer in seinen Ausreden. Am Ende scheitert er krachend – und schafft ganz unversehens das Happy End.
Mit Goldonis „Der Diener zweier Herren“ haben sich Intendant Holger Schultze, der in dieser Produktion auch die Regie verantwortet, und sein Team eigentlich einen dankbaren Stoff herausgepickt. Gag folgt auf Gag und kein Beteiligter – inklusive Truffaldino selbst – ist vor dem Witz des ebenso verstrahlten wie kompromisslos eigennützigen Dieners sicher. Mit der Übersetzung Hans Jürgen Fröhlichs hat Schultze freilich eine recht langatmige Version gewählt. Inklusive einiger zusätzlicher Schlenker sowie diversen Musikeinlagen zwischen „Der Pate“ und „Spiel mir das Lied vom Tod“ kommt so eine für das Stück stattliche Laufzeit von guten zwei Stunden zustande. Was die Zuschauer eigentlich freuen sollte, wirkt gegen Ende ermüdend. Denn auch das sonstige Inszenierungskonzept will nicht so recht aufgehen. So haben Schultze und sein Team das Stück in Szenerie, Kostümen und der Musik mit Mafia-Anspielungen gespickt, leider ohne dass dieser Bezug in irgendeiner Form zu Goldonis Theaterstück passen würde. Die einzige Verbindung sind zwei alte Männer in Nebenrollen und der Schauplatz in Italien – nun ja. Was der Inszenierung an inhaltlicher Kongruenz fehlt, wird durch ein umso größeres Effektfeuerwerk kompensiert: Jongleure lassen an jeder möglichen und unmöglichen Stelle Teller, Messer oder Stühle durch die Luft wirbeln, die vier Musiker unter Willi Haselbeck bringen mal mehr, mal weniger witzige Einwürfe und zu guter Letzt erhellt noch ein gigantomanisches Feuerwerk das Schloss. Sinnvoll eingebunden ist auch hier wenig. So bleibt am Ende das Bild eines miesen Kaugummis: Was erst überrascht, wird spätestens nach den ersten Bissen (beziehungsweise ein wenig Denken) ziemlich fad.
Wo die clowneske Inszenierung auf arg mittelmäßigem Niveau verbleibt, zeigen die Schauspieler ihr Können. Seiner Rolle mehr als gewachsen zeigt sich zuvorderst Steffen Gangloff als Truffaldino. Wie ein Derwisch saust er über die Bühne, zieht den Kopf in einem Moment aus der Schlinge, nur um mit unbeschwerter Sorglosigkeit ins nächstgrößere Fettnäpfchen zu hechten. Besonders im Gespann mit seiner Diener- und Ensemblekollegin Smeraldina alias Lisa Förster, die zuletzt in der Hauptrolle des „Guten Mensch von Sezuan“ zu überzeugen wusste, zeigt sich eine unbändige Freude am Absurden, die das Publikum sichtlich mitreißt. Auch Sophie Melbinger als Beatrice sticht aus der durchgehend starken Ensembleleistung hervor.
„Nur schade, dass es nicht länger gedauert hat“, verabschiedet Truffaldino in einem letzten Metawitzchen Goldonis das Publikum in die Nacht. Trotz der exzellenten Spielleistung der Schauspieler – so richtig zustimmen kann man Gangloff an diesem Abend leider nicht.
Von Jakob Bauer