Offener Brief gegen „Entlassung besonders kritischer Stimmen“ – Studierendenwerk spricht von „Umstellungsphase“
Das Studierendenwerk Heidelberg verlängert die Verträge von zahlreichen studentischen Aushilfen in verschiedenen Mensen und Cafés nicht mehr, darunter von mehreren Personen, die sich in der Vergangenheit über Missstände bei den Arbeitsbedingungen beschwert hatten. In einem offenen Brief eines Arbeitskreises aus studentischen Beschäftigten und dem Sozialreferat der Verfassten Studierendenschaft ist die Rede von etwa 40 Fällen, in denen kein neuer Vertrag mehr angeboten worden sei. Eine Sprecherin des Studierendenwerks bestätigte auf Anfrage des ruprecht, dass rund ein Drittel der Verträge der etwa 210 studentischen Beschäftigten nicht verlängert werden, doch „viele der Ausscheidenden wollen keine Verlängerung, da ihr Studium beendet ist“ oder da sie aus anderen studienbedingten Gründen keine Verlängerung mehr wünschten.
In dem offenen Brief heißt es weiter, nachdem ab April neue Verträge für die studentischen Beschäftigten eingeführt wurden, seien keine neuen Studierenden mehr eingestellt worden, während das Studierendenwerk begonnen habe, vermehrt nichtstudentische Angestellte für dieselben Aufgaben anzustellen. „Die Absicht dahinter scheint zu sein, einen Großteil der studentischen Aushilfen durch Festangestellte zu ersetzen“, so die Unterzeichnenden des offenen Briefs. Das Studierendenwerk spricht von einer „Umstellungs- und Prüfphase“, wobei man die „daraus gewonnenen Erkenntnisse für ein optimiertes Konzept“ der Beschäftigung nutzen wolle. Zu einem möglichen Einstellungsstopp für Studierende äußerte sich die Geschäftsführung nicht. Ein völliger Verzicht auf studentische Aushilfen sei jedoch nicht absehbar: „Das Studierendenwerk Heidelberg wird auch zukünftig Arbeitgeber für Studierende in seinen Cafés und Servicebereichen sein.“
Ein Teil der Beschäftigten, die nun keine Verlängerung mehr bekommen, hatten sich im Vorfeld der Vertragsumstellung gegen prekäre Arbeitsbedingungen und für die Abschaffung der damaligen Tagesarbeitsverträge eingesetzt. Es könne „kein Zufall sein“, dass ausgerechnet Mitglieder der dafür gegründeten Arbeitsgruppe oder der Vertreterversammlung des Studierendenwerks von den Nichtverlängerungen betroffen seien und die Kriterien ansonsten willkürlich erschienen, so der offene Brief. Das Studierendenwerk weist diesen Vorwurf in seiner Stellungnahme jedoch zurück: Es handele sich um einen „unternehmerischen Entscheidungsprozess, bei dem es zahlreiche Kriterien zu berücksichtigen gab und in den alle relevanten Beteiligten – auch die Caféleitungen – einbezogen waren.“ Außerdem habe man den „Kosten- und Verwaltungsaufwand“ berücksichtigen müssen.
Gegenüber dem ruprecht bestätigen mehrere studentische Beschäftigte, dass sie den Umgang und die Kommunikation der Studierendenwerksleitung als äußerst negativ empfinden. „Man hat beschlossen, seine studentischen Mitarbeiter rauszuekeln“, ist sich gar ein Betroffener sicher. Der offene Brief nennt eine „Misstrauens- und Angstkultur“, die dazu führe, dass kritische Stimmen „mundtot“ gemacht werden sollten. In seiner Stellungnahme betont das Studierendenwerk hingegen, man sehe keine Defizite bei der Kommunikation, da allen Beschäftigten zum Vorlesungsende mitgeteilt worden sei, ob sie eine Vertragsverlängerung erhalten.
Nun erhofft sich der Arbeitskreis mit seinem offenen Brief an das Wissenschaftsministerium, das für die die baden-württembergischen Studierendenwerke zuständig ist, Hilfe beim Erhalt der verbliebenen Arbeitsplätze für studentische Aushilfen, denn diese seien „seit mehr als 20 Jahren für viele Studierende eine wichtige Möglichkeit der Studienfinanzierung.“
Von Simon Koenigsdorff