Parallel zu dem in Chemnitz stattfindenden „Wir sind mehr“-Konzert veranstaltete die SPD Heidelberg zusammen mit „Heidelberg gegen Rassismus“ am Montagabend eine Solidaritätsveranstaltung am Bismarckplatz. Über 1000 Besucher nahmen an der Demonstration teil. Warum dies ein großartiger Anfang ist, aber hier nicht aufhören darf.
„Ich wäre wirklich schon froh, wenn wir auf 400 Teilnehmer kommen würden“, erzählt Organisatorin Marlen Pankonin fünf Stunden vor Beginn der Demonstration. Am Donnerstag beschloss die Vorsitzende der SPD Heidelberg spontan, auch vor Ort Menschen zu mobilisieren. „Die Bilder aus Chemnitz machen fassungslos, aber nicht sprachlos“, erklärt sie auf Facebook. Schon nach 24 Stunden sagen mehrere hundert Leute zu; Montagabend versammeln sich schließlich über 1000 Menschen auf dem Bismarckplatz, um gegen Rechtsextremismus zu protestieren.
„Wer Leuten, die den Hitlergruß zeigen, die Nazisymbole tragen und Nazilieder singen, hinterherläuft, muss sich als Nazi bezeichnen lassen“, ruft Pankonin zu Beginn ins Mikrofon, „Diese Menschen sind eine Schande für unser Land.“
Nazis endlich beim Namen zu nennen scheint den Tonus des Abends zu bestimmen, „nicht nur, weil es in Chemnitz passiert, sondern weil es überall passieren kann“, erklärt eine Demonstrantin, die ihre zwei Kinder zur Veranstaltung mitgenommen hat. Die Demo selbst, erzählt Pankonin dem ruprecht später freudig, könne man in einem Wort zusammenfassen: gelungen. „Sie hat Leute dazu bewegt, auf die Straße zu gehen.“ Sie ist tatsächlich gelungen. Die Solidaritätsveranstaltung hat gezeigt, dass Heidelberg, wenn es will, innerhalb der kürzesten Zeit politisch mobilisiert werden kann; die Redner und Rednerinnen haben bewiesen, dass überparteilicher Zusammenschluss in der Stadt funktioniert – zumindest dann, wenn es um die Wahrung der Grundrechte geht – den „kleinsten gemeinsamen Nenner“, wie Pankonin sie nennt. Chemnitz, so wurde an diesem Abend klar, hat Heidelberg bewegt und sein zivilpolitisches Potenzial offenbart. Aber das ist noch nicht genug.
Auch Heidelberg hat ein Rassismusproblem, zuletzt bewiesen durch das Aufkommen der Identitären Bewegung. Man habe den Rassismus in der Stadt nicht im Griff, gibt Pankonin zu: „Wir haben tatsächlich auch hier einen kleinen Bodensatz, wo permanent latent rechte Ideen gewählt werden, wo immer dieses ‚ich hab ja nichts gegen Ausländer, aber…‘ lauter wird. Da liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor uns.“ Über Vorschläge für weitere überparteiliche Zusammenkünfte würde geredet werden; konkrete Pläne gäbe es allerdings noch nicht.
Dabei wäre schon die regelmäßige Veranstaltung von Demonstrationen ein Schritt in die richtige Richtung, ein Signal, das auch People of Colour in der Stadt zeigen würde: Wir sind nicht nur jetzt mehr, sondern immer; ein einmaliger Auftritt kann euch nicht die Angst nehmen, doch wiederholtes Aufstehen soll euch Hoffnung geben. Abgesehen von allen politischen und menschlichen Schwächen, die der durchschnittliche Pegida-Anhänger so mit sich trägt, unterscheidet er sich vom Normalbürger doch in einem entscheidenden Punkt: Der Pegida-Anhänger nimmt sich montags nichts vor. Und das hat enorme Folgen: Denn der regelmäßige Ausdruck von Pathetik treibt den Rechtsextremisten dazu an, nächsten Montag erneut vor die Tür zu treten und durch seine bloße Teilnahme auch andere aus dem Haus zu locken.
Das muss auch ein Anliegen der Demokraten sein. Demokratie blüht durch Langfristigkeit, durch strukturelle Stabilität. Durch reaktives Verhalten allein kann sie nicht aufrechterhalten werden. Und wenn uns die Demokratie trotz der Echos unserer jüngsten Geschichte nicht wert ist, immer wieder auf die Straße zu gehen und lauter zu schreien als ihre Feinde: Dann ist das doch ebenso eine Schande für unser Land.
Von Sonali Beher
Am Samstag, den 15. September veranstaltet die „Seebrücke Heidelberg“ eine Demonstration, um auf die Problematik von sicheren Fluchtwegen aufmerksam zu machen und für die Entkriminalisierung von Seenotrettung einzutreten. Der Beginn ist um 14 Uhr am Thermalbad.