Ab dem späten 18. Jahrhundert traten Heidelbergerinnen für ihre Rechte ein. Damit ebneten sie auch den Weg für das Frauenwahlrecht in Deutschland
Das Frauenwahlrecht feiert dieses Jahr in Deutschland 100-jähriges Jubiläum. Der Verkündung des Frauenwahlrechts am 12.09.1918 gehen die Ideen und Mühen verschiedener Frauen unterschiedlicher Schichten voraus, die unter anderem die berufliche Stellung der Frau verbesserten und den Zugang zu umfassender Schul- und Hochschulbildung sowie Wahrnehmung in Politik und Wissenschaft begründeten. Auch bis nach Heidelberg lassen sich die Spuren einiger dieser Wegbereiterinnen zurückverfolgen.
Einen Grundstein legte Großherzogin Luise von Baden, als sie 1859 den Badischen Frauenverein gründete, um die im Italienischen Krieg in Not geratenen Untertanen zu unterstützen. Bis 1908 war es Frauen verboten politischen Vereinen beizutreten, sodass nur gesellschaftliches Engagment übrig blieb. Der Frauenverein entfaltete bereits einen ersten emanzipatorischen Effekt: In dieser Institution wurde die weibliche Bildung, Erwerbsarbeit und Kranken- sowie Altenpflege gefördert und der Beruf der Krankenschwester etabliert. Eine bedeutende Funktionärin in diesem Verein war Anna Blum, die unter anderem eine Flickschule für von der allgemeinen Schule entlassene Mädchen gründete. Daneben eröffnete sie auch ein Volksfrauenbad, um zur Gesundheit der Heidelbergerinnen zur Zeit der Tuberkulose beizutragen. Mit Ihrem Vermögen und Grundbesitz in der Theaterstraße 10 wollte Sie nach ihrem Tod noch weitere, fortschrittliche Projekte wie ein Altersheim für Frauen realisiert wissen, jedoch wurden diese Vorhaben nie von der Stadt realisiert.
Daneben trugen auch die Ehefrauen einiger Heidelberger Professoren positiv zum Ansehen der Frau bei: Marianne Weber, Camilla Jellinek und Marie Luise Gothein – allesamt Frauen ohne höhere Schulbildung – waren wissbegierig und publizierten qualitative Fachliteratur. So erhielten alle drei Damen in der Weimarer Republik die Ehrendoktorwürde. Marianne pflegte während der Krankheit ihres Mannes Max Weber weiterhin seine Kontakte in sogenannten wissenschaftlichen Kränzen und trat 1918 in die Deutsche Demokratische Partei ein. 1919 zog sie als Abgeordnete in den Badischen Landtag ein und sprach dort als erste Frau. Im selben Jahr übernahm Weber den Vorsitz im Bund deutscher Frauenvereine. Durch Marianne Weber angeregt baute Camilla Jellinek im Bund deutscher Frauenvereine in Heidelberg eine Rechtsschutzstelle für Frauen auf und widmete sich dabei insbesondere der Abschaffung des bis heute geltenden § 218 StGB. § 218 StGB stellt seit 1872 den Schwangerschaftsabbruch unter Strafe und hat erst ab 1975 Einschränkungen bzgl. des Entwicklungsstadiums der Leibesfrucht erfahren. Camilla Jellinek versuchte auch auf die Ausbeutung der Kellnerinnen und ihre schlechte Stellung in der Gesellschaft aufmerksam zu machen.
Nachdem 1893 in Karlsruhe das erste humanistische Gymnasium für Mädchen im liberalen Großherzogtum Baden öffnete, dauerte es nicht lange, bis zwei der vier ersten Abiturientinnen die Heidelberger Universität besuchten. Clara Hamburger studierte Zoologie unter Otto Bütschli und Rahel Gothein Medizin unter Vincent Czerny. Hamburger wurde später selbst Zoologin an der Universität.
Um neben der Universität eine weitere Fortbildungsmöglichkeit zu schaffen, gründete Gräfin Maria Graimberg-Bellau 1911 am Kornmarkt 5 eine katholische soziale Frauenschule, deren Schülerinnen teilweise maßgebend die Soziale Arbeit beeinflussen sollten. Die als Wegbereiterin der Sozialen Arbeit geltende Marie Baum zog für einen Lehrauftrag an der Universität ebenfalls in die Stadt am Neckar. Nach einiger Zeit im Reichstag und als Oberrätin wandelte sie unter anderem alte Kasernengebäude zu Kindererholungsheimen um. Die Liste der Heidelbergerinnen und ihren Beiträgen zur Frauenbewegung ist lang. Bis zum ersten Weltkrieg standen viele Frauen für eine modernere Welt ein, jedoch rief die allgemeine Kriegsbegeisterung auch in ihren Reihen einen vergangen geglaubten Chauvinismus hervor. Nichtsdestotrotz erwuchs das Frauenwahlrecht aus dem Sturz der Monarchie in der Novemberrevolution. Kurz nach Ausrufung der Republik stellte der Rat der Volksbeauftragten sein Regierungsprogramm vor, welches unter anderem eine umfassende Wahlrechtsreform proklamierte.
Von Bérénice Burdack