Die Universität regt kaum zum Aufbau von Startups an. Warum es sich trotzdem lohnen kann, in Heidelberg zu gründen
Trotz trashiger Fernsehformate wie „Höhle der Löwen“ und hoher Bereitschaft der Deutschen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, gibt es an der Universität Heidelberg nur einen Gründungsmanager – für 30 000 Studierende. Nach jahrelangem Stillstand stellte die Universität nun einen Förderantrag im Rahmen der Ausschreibung „Gründungskultur in Studium und Lehre (GuStL)“ des baden-württembergischen Wissenschaftsministeriums. Anfang November wird darüber abgestimmt. Da Bürokratie aber bekanntlich schwerfällig ist, stellt sich die Frage: Wer in Heidelberg unterstützt Gründer mit zündenden Ideen? Und für wen lohnt es sich, hier ein Startup aufzubauen?
Das Dezernat 16 ist einer der zentralen Anlaufpunkte. Seit 2013 vermietet das Gründerzentrum günstige Büro- und Coworkingflächen und berät Nachwuchsunternehmer. „Im Dezernat sind etwa 50 junge Unternehmen der Kreativ- und Kulturwirtschaft angesiedelt, die auch eng vernetzt sind“, erklärt der Zentrumsmanager Philipp Eisele. In der Anfangsphase einer Gründung ginge es darum, ein geschäftsfähiges Modell zu entwickeln, um für Investoren attraktiv zu werden. „Wir sehen uns als Lotsen“, meint Katharina Pelka von der städtischen Stabsstelle für Kreativ- und Kulturwirtschaft. Die Abteilung sei aber ein Querschnittsbereich, denn neben der Wirtschaftsförderung ginge es auch um Stadt- und Raumentwicklung. Philipp Eisele sieht das ähnlich: „Die Stadt investiert hier natürlich, damit die Unternehmen kleben bleiben.“
Ein Beispiel: In ihrer Heidelberger WG-Küche kam den Gründern von „frizle“ die Idee für eine Teigverpackung, die gleichzeitig auch Spätzlepresse ist. Das Startup wurde ein Erfolg. „Zunächst haben die hier im Dezernat 16 mit Teig herumexperimentiert. Das wurde aber irgendwann viel zu eng“, erinnert sich Eisele. Heute produzieren sie in einer alten Fabrik in Ziegelhausen. Das Team ist mit seinem Unternehmen in Heidelberg geblieben – ganz im Sinne der Förderstrategie der Stadt. „Ich glaube an die freie Marktwirtschaft – im unternehmerischen Sinne. Wenn sich etwas ohne Förderung durchsetzt, ist es meistens auch erfolgreicher“, meint Christian Wies, der CEO von „getsafe“. Das Startup mit Sitz in Heidelberg hat den Versicherungsprozess mittels einer App vollständig digitalisiert, 2014 kam seiner App auf den Markt. Heute hat sie schon knapp 50 000 Nutzer.
Das kreativ- und kulturwirtschaftliche „Startup-Ökosystem“ Heidelbergs ist vor allem regional vernetzt.
Insbesondere im technologischen Bereich ist aber ein Blick über den provinziellen Tellerrand unumgänglich: „Die Metropolregion Rhein-Main-Neckar kann bei dem Thema nur gemeinsam gedacht werden“, stimmen Thomas Prexl und Raoul Haschke von dem Heidelberg Startup Partners e.V. überein. Der Verein ist eine gemeinsame Initiative Heidelberger Bildungseinrichtungen – von der Universität bis hin zur Pädagogischen Hochschule. Ihr Ziel ist die Förderung wissenschaftlicher und technologischer Startups.
„Die Uni Heidelberg ist keine typische Gründer-Universität“, so Hascke. Ein Grund dafür ist, dass „gründungsfreudige“ Fächer wie BWL oder Ingenieurswissenschaften im Fächerkanon fehlen. Benötigt eine Heidelberger Forschergruppe einen Ingenieur, holt sie sich deshalb häufig Absolventen aus Karlsruhe, Darmstadt oder Stuttgart in ihr Team. Die zentrale Lage in der Metropolregion war auch der Grund für Wies, sich in Heidelberg anzusiedeln: „Die Entscheidung haben wir aus strategischen Gründen getroffen. Wir wollten sowohl die klugen Köpfe in der Umgebung haben als auch in der Nähe der traditionellen Finanzwirtschaft sein. Es ging dabei nicht konkret um die Stadt.“
Weltweite Erfolge landen in Heidelberg vor allem wissenschaftliche Ausgründungen, wie beispielsweise Medikamentenentwicklungen. „Wir unterscheiden zwischen studentischen Startups und Technologietransfer, also der Kommerzialisierung von wissenschaftlichen Erkenntnissen“, erklärt Thomas Prexl, „da sitzen nicht drei Leute um einen Pizzakarton herum und haben eine gute Idee.“ Ausgründungen brauchen viel Geld in kurzer Zeit. Wenn es in die Produktentwicklung und Patentanmeldung geht, sind bereits viele Millionen Euro in die Idee geflossen.
Das Land scheint daran großes Interesse zu haben. Es fördert den Wissenschafts- und IT-Bereich mittels zwei „Accelerators“-Programmen im großem Maße. Geisteswissenschaftliche oder kulturwirtschaftliche Startups haben da hingegen das Nachsehen. Um Durchschnittsstudierende auf Möglichkeiten in der Selbstständigkeit aufmerksam zu machen, werden eine Vorlesung an der Fakultät für Physik sowie einigen Seminare am Career Service angeboten – im nationalen Vergleich eher eine spärliche Auswahl. Raoul Haschke zeigt sich enttäuscht: „Ein Mitarbeiter für studentisches Gründen für alle Studierenden – das spricht für sich.“ Ob Studierende aller Fachrichtungen in Zukunft mit mehr Förderung rechnen können, entscheidet das Ministerium in der kommenden Woche. Haschke hofft auf Unterstützung: „Öffentliche Universitäten haben den Auftrag, die Gesellschaft voranzubringen. Das Wissen, das mit Steuermitteln generiert wurde, soll an die Gesellschaft zurückgegeben werden.“
Von Alexandra Koball