Reykjavík macht es vor: Im öffentlichen Raum soll es nur noch Unisex-Toiletten geben. Die Regelung wird diesen Herbst eingeführt. Sollte sich die Universität Heidelberg ein Vorbild daran nehmen?
Das sensible Thema der Unisex-Toiletten betrifft die geschlechtliche Identität (also das Geschlecht, dem man sich zugehörig fühlt) und nicht, wie häufig fälschlicherweise angenommen, die sexuelle Orientierung (wen man sexuell attraktiv findet). Die meisten Menschen benutzen täglich Unisex-Toiletten, ohne es zu bemerken. Sei es zu Hause, in sehr kleinen Restaurants oder in der Bahn – getrennte Toiletten zu haben, wäre hier aus Platz- oder Geldgründen nicht sinnvoll und bisher scheint es auch niemanden zu stören. Neben den getrennten Toiletten zusätzlich Unisex-Toiletten einzurichten schadet niemandem, hilft aber denen, deren Geschlecht nicht in das gängige Geschlechterverständnis passt. Vorhandene Strukturen können ohne viel Aufwand neu beschildert und in Neubauten eine Toilette eingebaut werden, die als neutrale Toilette fungiert, so wie es bereits zusätzlich barrierefreie Toiletten gibt. Wenn dies von Anfang an eingeplant wird, ist auch der finanzielle Aufwand minimal.
These 1: Genderneutrale Toiletten sind ein Luxusproblem.
Die physische und mentale Gesundheit aller Studierenden ist kein Luxus, sondern ein Grundrecht. Dazu gehört auch ein sicherer Zugang zu Sanitäranlagen. Ein WC-Besuch sollte eine alltägliche Handlung sein, über die sich Menschen, die nicht dem gängigen Geschlechterverständnis entsprechen, keine weiteren Gedanken machen sollten. Dies mag zwar nur eine relativ kleine Gruppe betreffen, gemessen an der Gesamtzahl aller Studierenden (neueste Studien gehen von 0,25 Prozent aus, berücksichtigen aber nur binäre Trans*-Menschen. Nicht-binäre und Inter-Menschen fallen heraus, deshalb gehen wir von deutlich mehr Betroffenen aus), jedoch müssen Probleme nicht hierarchisiert werden, um sie anzugehen. ‚Kleine‘ Probleme können parallel zu ‚großen‘ behoben werden, insbesondere wenn es sich um solche handelt, die bei richtiger Planung mit wenig Mehraufwand verbunden sind.
These 2: Geschlechtsgetrennte Toiletten können ein Problem für Menschen sein, die sich nicht in die traditionelle Geschlechtsordnung einordnen lassen.
Menschen, die nicht dem gängigen Geschlechterverständnis entsprechen, also trans*, inter, nicht-binär sind oder auch nur nicht typisch „weiblich“ oder „männlich“ aussehen, erfahren auf geschlechtergetrennten Toiletten häufig Abwertung durch Blicke, Sprüche, Fragen und auch physische Gewalt. Solche Erfahrungen führen dazu, dass öffentliche Toiletten gemieden werden. Angst vor Diskriminierung und damit verbundenes Vermeidungsverhalten stellen einen Stressfaktor dar, der sich negativ auf Wohlbefinden und Leistung im Allgemeinen und universitären Kontext auswirken kann. Mittelbare Folgen der Vermeidungsstrategien sind Dehydrierung, Harnwegsinfekte und Nierenerkrankungen und das Fernbleiben von Veranstaltungen.
These 3: Frauentoiletten bieten Frauen einen Rückzugs- oder Schutzraum.
Jeder Mensch hat das Recht auf einen Rückzugsraum. Bei Unisex-Toiletten geht es nicht darum, alle bestehenden Rückzugsorte für Frauen* abzuschaffen, sondern zusätzliche für alle einzurichten. Darüber hinaus sollten alternativ zur Toilette Safe Spaces zur Verfügung gestellt werden, damit sich alle zu jeder Zeit sicher fühlen können. Das Schaffen von Rückzugsorten in allen Bereichen des Lebens ist, nicht nur in den Toiletten, ein wichtiges Anliegen – der Umgang mit Minderheiten zeigt
immer auch die Güte eines sozialen Systems an. Zudem sollten wir die Frage stellen, warum Frauen* und andere diskriminierte Gruppen überhaupt einen solchen Rückzugsort brauchen und das Problem an anderer Stelle angehen. Viele Menschen werden tagtäglich Opfer von Übergriffen und Belästigung. Erst wenn dem entgegen gewirkt wird, sinkt der Bedarf an Rückzugsorten.