Große Konzerne werben der Universität Informatiker für Lehre und Wissenschaft ab. Besonders der weibliche Nachwuchs fehlt
Immer mehr junge Menschen entscheiden sich für ein Studium der Informatik – das zeigt der „Ländercheck Informatik“ des Stiftverbandes für deutsche Wissenschaft. Die Studie zeigt allerdings auch, dass viele Hochschulen mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten, es gibt kaum neue Professorinnen und Professoren. So konnte Baden-Württemberg sein wissenschaftliches Personal von 2011 bis 2016 um nur 5,6 Prozent vergrößern und fällt damit deutlich hinter Bundesländern wie Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen zurück, welche um mehr als 20 Prozent im selben Zeitraum aufgestockt haben.
Laut dem Stiftverband lassen sich dafür allerdings mildernde Umstände finden: Das Ländle hatte schon zu Beginn der 2010er Jahre kräftig investiert, daher die geringen Steigerungsraten. Nichtsdestotrotz sei an der Universität Heidelberg ein Lehrkräftemangel zu spüren, so Studierende der Angewandten Informatik. „Zwei von fünf Professuren des Instituts für Informatik sind derzeit unbesetzt“, erzählt ein Masterstudent.
Ein Grund für diesen schleppenden Personalaufbau liegt sicher in der allgemeinen Unsicherheit der Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Wo Unternehmen mit hohen Gehältern, flexiblen Arbeitszeiten und eigenem Firmenwagen locken, fällt vielen Nachwuchsinformatikerinnen und -informatikern die Entscheidung gegen eine wissenschaftliche Karriere leicht. Fragt man Frau Paech, die seit 2003 den Lehrstuhl für Software-Systeme am Institut für Informatik der Universität Heidelberg innehat, ist der finanzielle Aspekt jedoch nicht das einzige Problem. Erfahrungen in der Industrie sind sehr reizvoll für viele Informatikerinnen und Informatiker, weil dort mit großen Systemen gearbeitet wird. Diese Komplexität ist im Studium meist nicht geboten.
Dieser Entwicklung soll entgegengewirkt werden, indem manche Lehrstühle Projekte in Kooperation mit Betrieben anbieten. Unter den Studierenden der Fachschaft für Informatik in Heidelberg herrscht Einigkeit über das Thema Bezahlung: „Man geht nicht aus finanziellen Gründen in die Wissenschaft. Wer an der Universität bleibt, tut dies aus Interesse an der Forschung.“ Man könne die universitären Stellen allerdings trotzdem attraktiver gestalten, indem man Bürokratie abbaut und die Karriereplanung etwas verlässlicher gestaltet. Ein weiteres Problem des Fachs Informatik ist der geringe Frauenanteil. Nur knapp ein Viertel aller Studienanfängerinnen und -anfänger sind Frauen und unter den Absolventinnen und Absolventen liegt der Frauenanteil bei nur noch 19,5 Prozent, was eine Studie der Initiative „Komm mach MINT“ zeigt. Auch in der Lehre sieht es dementsprechend mau aus: Es gibt in Deutschland mehr als zehn Universitäten, an denen es keine einzige Professorin gibt.
Laut Frau Köhler, Leiterin der Fachgruppe „Frauen und Informatik“ der Gesellschaft für Informatik, liegen die Ursachen hierfür weit vor der universitären Laufbahn. „Schon im Kindergartenalter kommen bereits die Kleinsten mit der veralteten Auffassung in Berührung, dass Technik Männersache sei.“ Das zieht sich dann durch die gesamte weitere Schullaufbahn, wo die Lehrkräfte meist Männer sind. Das Ergebnis ist schließlich der geringe Anteil an Frauen, die sich überhaupt für ein Informatikstudium entscheiden.
Es gibt allerdings auch positive Entwicklungen: Dadurch, dass die Informatik allgemein zu einem viel breiteren Feld wird, bessere sich auch das Image und mehr junge Frauen und Mädchen fühlen sich angesprochen. Außerdem sei eine Studienanfängerinnenquote von knapp 25 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren schon eine sehr gute Entwicklung. „Man ist als Frau nicht mehr die Exotin unter den Männern“, so Köhler.
Um künftig noch mehr Mädchen für die Informatik zu begeistern, müsse schon der Unterricht in der Schule verbessert werden. Außerdem solle die „Willkommenskultur“ an Universitäten gefördert werden: „Es kann nicht sein, dass Studierende in den ersten Veranstaltungen von manchen Lehrpersonen gesagt bekommen, dass sowieso 50 Prozent durchfallen werden.“
Von Stefanie Weber