Sie ist gleichermaßen bekannt und verhasst: die Geldknappheit am Ende des Monats. Wie einfach ist es, vollständig auf Ausgaben zu verzichten? Einblicke in eine sparsame Woche
Tag 1: Schon jetzt bereue ich meine Entscheidung, dieses Projekt durchzuführen. Eine Woche lang kein Geld ausgeben, das klingt zunächst nicht schwer. Fasten wäre zum Beispiel eine Möglichkeit, soweit möchte ich es allerdings nicht kommen lassen. Ich backe ein trockenes Baguette auf, das ich am Vorabend in einem Verteiler gefunden habe. Danach ist es noch trockener und zudem an der Unterseite matschig. Einen Ofen oder Toaster habe ich nicht, lediglich eine Mikrowelle, die ich anscheinend nicht bedienen kann. Mehlige, alte Tomaten vom Balkon runden mein Mittagessen ab, sowie Bohnen aus dem Garten meiner Oma.
Tag 2: Bereits am zweiten Tag muss ich mir mein Scheitern eingestehen. Ich besuche einen neuen Chor, die Noten kosten 13,50 Euro. Soll ich mir das Geld leihen und eine Woche später zurückzahlen? „Schummelei“, denke ich und zahle mit knirschenden Zähnen für die Noten.
Tag 3: Meine Vorräte an altem Baguette sind nun endgültig aufgebraucht. Ich habe alle Fairteiler Heidelbergs abonniert, doch diese Funktion scheint entweder nicht zu funktionieren, oder aber die Foodsaver teilen ihre Funde nicht immer mit. In Neuenheim finde ich grenzwertig gammliges Gemüse. Ich lade Freunde zum Abendessen ein und bitte sie, etwas zum Kochen mitzubringen. Meine alten Pilze werden abgelehnt – und ich schnorre mich daher nicht zum letzten Mal diese Woche durch.
Tag 4: Mein neuer Chor singt bei der Jubiläumsfeier der Universität. Danach gibt es einen Empfang im ersten Stock der alten Uni, mit einem riesigen Buffet. Dafür nehme ich die schier endlose Lobeshymne des Rektors auf die Uni Heidelberg gerne auf mich. Am Nachmittag fällt mir ein, dass ich versprochen hatte, mich um das Geburtstagsgeschenk für meine Schwester zu kümmern, der zweite Regelbruch diese Woche folgt. Abends finde ich mich auch bei der Arbeit im Schlaraffenland wieder: ein neuer Cateringservice ist eingezogen und hat zur Mitarbeiterversammlung viel zu viel gekocht.
Tag 5: Das am Vorabend organisierte Essen schmeckt weniger gut als erhofft, vielleicht ist es auch schon schimmelig. Also gibt es wieder einmal aufgebackenes altes Brot. Auf einmal stinkt es, der Feuermelder geht los. Kurze Zeit später stehen drei Feuerwehrautos, ein Rettungswagen und die Polizei vor meinem Wohnheim. Ich schwöre mir, die Mikrowelle nie wieder zu verwenden.
Tag 6: Ich bin genervt, würde mittags gerne mit in die Mensa und abends mit der Redaktion etwas trinken gehen. Stattdessen finde ich beim Containern einen alten Salatkopf, mehr nicht. Ein grüner Smoothie bestehend aus einem Kopfsalat und einem Apfel runden meinen Tag ab, ein persönlicher Tiefpunkt.
Tag 7: In meiner Mittagspause fahre ich nach Rohrbach, um mich für den letzten Tag mit Lebensmitteln vom Fairteiler auszustatten. „Dort ist immer Brot vorhanden“, so hat mir eine Freundin versprochen. Als ich ankomme, finde ich ungefähr 100 Salatköpfe, kein Brot. Ich suche den besten heraus, fahre zurück zur Arbeit, überlege kurz und kaufe mir in der Bäckerei ein Brötchen: die Kapitulation. Sicher, man kann einiges sparen, sollten am Ende des Monats die Reserven auf dem Konto dahinschwinden. Vielleicht aber sollten ein paar Euros für die Basics noch drin sein. Allein die Zeit, die ich diese Woche gedanklich mit Lebensmitteln verbracht habe, der Planungsaufwand und die Fahrten von Fairteiler zu Fairteiler, würde ich lieber anders verbringen. Und auch auf das schmutzige Gefühl, anderen Leuten, vor allem meinem Freund und meiner Mitbewohnerin, auf der Tasche zu liegen, kann ich gerne verzichten.
Von Susanne Ibing