Igor Levit spannt in seinem neuen Album den Bogen von Bach bis Evans, vom deutschen Spätbarock zum amerikanischen Jazz. Ein Album zum Träumen.
295 Jahre – eine Zeitspanne zwischen Johann Sebastian Bach und dem amerikanischen Jazzpianisten und Komponisten Bill Evans spannt das neue Album „Life“ des Pianisten Igor Levit. Und ebenso umfassend ist der Anspruch: Das Leben in seiner Gänze will der Ausnahmekünstler vermessen. Ein Versuch, der schiefgehen muss, ja soll. Levit scheitert mit Ansage – und grandios. Donnernd, schreiend bauen sich die Akkordkulissen in Bachs berühmter Chaconne in d-Moll auf, fallen verzagt in sich zusammen, nur um im nächsten Moment mit gleicher Brisanz wieder aufzufahren. Dieses Nebeneinander von Verzweiflung und Mut, Trauer und Freude zieht sich durch die gesamte, wunderbar harmonische Stückauswahl des Albums. Levits Spiel zeigt sich wie gewohnt technisch makellos, in jedem Moment klar und hellsichtig und wirkt doch an keiner Stelle steril. Im Gegenteil, der Zuhörer hört ihn mit seinem Flügel, mit Bach, Wagner und Evans träumen. Und träumt gleich mit.
Von Jakob Bauer