Ist ein Leben ohne Kunststoff heutzutage noch vorstellbar? Eine WG sagt dem Plastikmonster eine Woche lang den Kampf an
Als meine Mitbewohnerinnen mir vorschlagen, für eine Weile auf Plastik zu verzichten, bin ich zunächst skeptisch. Ich wähle doch schon grün – muss das unbedingt sein? Der Gedanke bleibt aber in meinem Kopf und als ich das nächste Mal beim Einkaufen an der Kasse stehe und sich immer mehr Plastik in meiner Einkaufstasche häuft, beschließe ich, der Sache doch eine Chance zu geben.
Wir vereinbaren, gleich am nächsten Tag zu starten und unser Experiment erst einmal auf eine Woche zu begrenzen. Man soll sich ja nicht gleich überfordern! Die restlichen verderblichen Lebensmittel, die ich in den Schränken finde, von Butter bis Toastbrot, verschenke ich an meine Freunde, bei denen unser Versuch einerseits Zustimmung, aber auch einiges an Belustigung hervorruft. Zu Beginn bin ich recht zuversichtlich. Wie schwer kann es schon sein? Sorgen mache ich mir vor allem um mein nicht gerade prall gefülltes Studentenportemonnaie, da ich in Papier verpackte Produkte eher mit hohen Preisen verbinde.
Gleich am ersten Morgen bahnt sich jedoch eine Herausforderung an, die ich bis jetzt gar nicht auf dem Plan hatte: Haarwachs, Deo, Shampoo und Zahnpasta sind allesamt in Plastik verpackt. Mit Sturmfrisur und suboptimalem Körpergeruch (es wird nicht das letzte Mal diese Woche sein!) verlasse ich das Haus. Bei der Zahnbürste ziehe ich dann aber doch den Schlussstrich, zu groß ist die Angst vor Karius und Baktus. Am Abend dann der erste Einkauf, der sich als ziemlich frustrierend herausstellt. Mal abgesehen vom meisten Obst und Gemüse ist so ziemlich alles in Plastik verpackt. So brauche ich nicht nur ewig, bis ich einen eher überschaubaren Einkauf zusammengestellt habe, sondern bezahle dafür auch noch überdurchschnittlich viel. Einige Erfolgserlebnisse habe ich dann aber doch noch. Der Supermarkt wirbt sogar damit, eigenen Behältnisse mit zur Frischetheke zu bringen, und ich finde als Shampooersatz Seife, die nur in Papier verpackt ist.
Am nächsten Tag mache ich mich dann auf zu einem Geheimtipp, den mir einige empfohlen haben – „Annas Unverpacktes“ in der Ladenburger Straße in Neuenheim. Dort gibt es von Reis über Schokolade bis zum handlichen tragbaren Bidet alles ohne Verpackung zu kaufen. Sogar eine Lösung für mein Zahnpastaproblem finde ich in Form von Tabletten, die sich Zuhause aber als eher enttäuschend herausstellen. Sie schäumen kaum und schmecken nach nichts, als hätte man den Mund voll mit Spucke. Preislich könnte ich in dem Laden zwar nicht ausschließlich einkaufen, allerdings ist er sehr praktisch, um Produkte zu besorgen, die man sonst nicht plastikfrei findet. Der Mitarbeiter an der Kasse empfiehlt mir außerdem, immer ein paar Tüten im Rucksack zu lagern – aus Baumwolle, versteht sich.
Nach einigen Tagen fällt es mir immer leichter, ohne Plastik auszukommen. Die meisten Lebensmittel und Alltagsgegenstände konnte ich ersetzen. Der Verzicht auf andere Dinge, vor allem nicht unbedingt notwendige Konsumgüter wie Süßigkeiten, stört mich weniger. Und die meisten sozialen Aktivitäten, wie gemeinsames Kochen oder Plätzchen-backen, löse ich auch ohne Plastik und lerne nebenbei noch wie man Butter mit einem Marmeladenglas selbst macht.
Auf ein interessantes Problem, mit dem ich mich glücklicherweise nicht befassen muss, macht mich eine Freundin aufmerksam: die Periode. Auch dafür finden wir aber eine Lösung: Die Menstruationstasse! Diese ist zwar selbst aus Plastik, aber nach gründlichem Abkochen wieder hygienisch und einsatzbereit. Einen Tag lang versuche ich schließlich, komplett auf Müll zu verzichten, und fühle mich nun bereit, mich an einen Baum im Hambi zu ketten. Schnell werden meine Illusionen aber zerstört, als ich bemerke, dass ich auf manche Sachen nicht verzichten möchte. So zum Beispiel Klopapier. Für das Hand-Bidet bin ich dann doch noch nicht bereit! Grundsätzlich stößt unser Projekt auf viel Begeisterung, oft werde ich angesprochen, wie es denn mit meinem Experiment läuft.
Ist vielleicht mangelndes Konsum-Bewusstsein der eigentliche Grund für unser Plastikproblem? Und falls ja: Sollte man das Thema Nachhaltigkeit schon in der Schule thematisieren? Fragen, die man sich angesichts der zahlreichen riesigen Mülldeponien stellen sollte!
Aus der Woche gehe ich schließlich vor allem mit guten Vorsätzen für die Zukunft heraus. Sicherlich werde ich es nicht schaffen, komplett auf Plastik zu verzichten. Aber die Tüten bleiben in meinem Rucksack, und zum Einkaufen geht es in Zukunft nur noch mit Frischenetz und Tupperdose. Eines ist aber sicher: Nie wieder Zahnpasta-Tabletten!
Von Lukas Schwaab