Der Ehrenfriedhof auf dem Ameisenbuckel ist relativ unbekannt. Dabei ist er neben der Thingstätte der zweite große Überrest aus der Nazi-Zeit in Heidelberg
Spaziert man über den Heidelberger Ehrenfriedhof, mag man sich bisweilen fragen, weshalb die Überreste der nationalsozialistischen Bauwut in dieser Stadt eigentlich alle irgendwo in den Wäldern versteckt sind. Ähnlich wie bei der Thingstätte, die sich praktisch vis-à-vis auf der anderen Seite des Neckars befindet, liegt der Soldatenfriedhof nämlich abseits der üblichen Touristenpfade oberhalb des Bergfriedhofes in den Bäumen verborgen. Warum das so ist, wird jedoch etwas klarer, wenn man in die Geschichte dieses bis heute umstrittenen Ortes eintaucht.
Zur Entlastung der überfüllten Heidelberger Stadtteilfriedhöfe hätte ab 1914 eigentlich ein neuer Zentralfriedhof im damals noch unbebauten Neuenheimer Feld entstehen sollen. Dem Vorhaben kam jedoch der Erste Weltkrieg dazwischen, weshalb die wenigen bereits fertiggestellten Teile des neuen Friedhofs im Bereich des heutigen Zoos kurzerhand in eine „würdige Heldenstätte“ umgewandelt wurden. Während des Krieges bestattete man dort an die 600 in Heidelberger Lazaretten verstorbene Soldaten, unter denen sich auch einige Ausländer befanden.
Wegen Grundwasserproblemen durch den 1924 angelegten Neckarkanal wurde aber schon bald eine Umbettung der dort begrabenen Gefallenen notwendig. Mit dem Ameisenbuckel am Fuß des Königsstuhls wurde jedoch erst 1933 nach langen Verhandlungen ein geeigneter Standort gefunden. Politisch waren in Deutschland also völlig neue Zeiten angebrochen, als mit dem Bau begonnen wurde. Der neue Ehrenfriedhof wurde vollständig im Sinne der neuen nationalsozialistischen Ideologie geplant und angelegt, deren erste große bauliche Hinterlassenschaft in Heidelberg er werden sollte. Dem Ameisenbuckel wurde sogar angedichtet, er sei in vorgeschichtlicher Zeit ein der Erdmutter Ambet geweihter Begräbnisplatz gewesen.
Der neue Friedhof, auf welchen die Toten im Jahr 1934 überführt wurden, sollte die Elemente eines Heldenberges mit dem eines Aufmarschplatzes verbinden. Dominiert wird er durch eine riesige Wegachse, die von einem sarkophagähnlichen Steinblock auf den vorderen Rand des Bergsporns zielt und so ins Unendliche zu weisen scheint. An beiden Seiten des Weges reihen sich Steinblöcke und Grabkreuze, auf denen die Namen der Soldaten zu lesen sind.Anfang der 50er-Jahre wurde der Ehrenfriedhof nochmal erweitert, sodass auch Tote des Zweiten Weltkriegs hier Platz fanden. An die nationalsozialistische Anlage wurde ein Waldfriedhof angegliedert, dessen Zugang ein Rundtempel bildet. Hier dominiert die christliche Symbolik. Das ursprüngliche Hakenkreuz auf dem Steinblock wurde – fast etwas unbeholfen – durch einen mahnenden Schriftzug ersetzt: „Zum Gedenken an die Opfer von Kriegen, Gewalt und Unrecht in aller Welt.“
Lange Jahre hielt die Stadt Heidelberg auf dem Ehrenfriedhof am Volkstrauertag Mitte November eine Gedenkveranstaltung ab. Diese wurde jedoch inzwischen auf den Bergfriedhof verlegt. Dennoch wird der Ort seine schwierige Vergangenheit nicht los. In den letzten Jahren wurde er vermehrt von Rechtsradikalen instrumentalisiert. So legten dort an den Volkstrauertagen 2017 und 2018 Vertreter der Identitären und anderer rechtsextremer Gruppen Kränze nieder. Als diese 2017 von der Stadt am folgenden Tag abtransportiert wurden, da eine Genehmigung fehlte, waren es unter anderem Politiker der AfD, die heftig dagegen protestierten.
Eigentlich sollten Orte wie der Ehrenfriedhof heute zu Frieden und Völkerverständigung mahnen. So wie es dort auf einer Gedenktafel zu lesen ist, die 1970 von der französischen Gemeinde Licourt-sur-Somme gestiftet wurde: „Für Euch/ Für den Frieden/ Bleiben wir einig/ Seien wir Freunde/ Für immer.“
Von Cornelius Goop
Heidelberg war (vor und) während der NS-Zeit ein recht „braunes Pflaster“, wovon nicht nur die beschriebenen Monumentalbauten zeugen, sondern auch die Tatsache, dass eine der ersten Ehrenbürgerschaften für Adolf Hitler aus Heidelberg kam. Darüber hinaus bedeuteten Thingstätte und Ehrenfriedhof auch eine besondere „Anstrengung“ für Heidelberg, denn sie entstanden in einer wirtschaftlich extrem angespannten Zeit. Und unsere Eltern und Großeltern haben dies alles mitgetragen . . .
Umso bedeutsamer ist die Episode um den französischen Ort LICOURT:
Eigentlich sollte man ausdrücklich darauf hinweisen, dass die angesprochene Gedenktafel der französischen Gemeinde Licourt-sur-Somme auf eine Initiative der Gemeinschaft ehemaliger 110er zurückgeht.
Das Infanterie-Regiment 110 war das Heidelberger „Hausregiment“ und kämpfte beim Überfall auf Frankreich u.a. im Somme-Abschnitt. Dabei wurde der Ort LICOURT fast vollständig zerstört.
In den 60er-Jahren nahm man dann gegenseitig Kontakt auf; auf der einen Seite die Weltkriegsteilnehmer des Infanterie-Regiments 110 auf der anderen die Vertreter/Überlebenden der Gemeinde LICOURT. Aus der Verbindung mit gegenseitigen Besuchen entstand die gespendete Tafel. In meinen Augen ein großartiges Zeichen praktischer Vergangenheitsbewältigung zu einer Zeit, in der die deutsch-französische Freundschaft noch in den Kinderschuhen steckte.
Umso unverständlicher war es, dass schon nach kurzer Zeit die Gedenktafel offenbar von politisch anders Orientierten herausgerissen und beschädigt wurde.
P.S. Die „Gemeinschaft ehemaliger 110er“ existiert schon einige Jahrzehnte nicht mehr, hier musste dem Alter Rechnung getragen werden.