Sängerin Mine veröffentlichte kürzlich ihr neues Album „Klebstoff“. Ein Gespräch über Songtexte, Werbung und die Frauenquote
Du hast in Mannheim an der Popakademie im Master Composing & Producing studiert. Kommst du noch manchmal hierher?
Zum Proben sind wir oft hier – die Band wohnt ja noch im Süden. Ich bin zwar nach Berlin gezogen, aber das Team ist immer noch das gleiche. Auch meine Management-Mädels wohnen teilweise hier in Mannheim. Deshalb bin ich schon öfter hier.
Dein Studio ist noch in Sandhausen – wieso noch nicht in Berlin, wo du inzwischen wohnst?
Die Produzenten, mit denen ich schon seit Anfang arbeite, sind auch dort. Ich liebe das Studio, ich finde toll, dass es nicht so erfolgsorientiert arbeitet, sondern musikalisch denkt. Das macht die Atmosphäre natürlich besonders.
Dein Projekt „Mine“ hat mit einem Jazzstudium in Mainz und dann sogar einer Dozentur dort angefangen. Hattest du immer schon die Vision von der Musik, die du jetzt machst?
Ich hab mir gar nicht vorgestellt, Musik zu machen, die ich dann rausbringe. Also, ich dachte nicht, dass es dafür reicht. Ich dachte eher, dass ich einmal eine Gesangsschule aufmache und damit mein Geld verdiene. Ich habe mir auch nie vorher überlegt, wie das klingen soll. Ich möchte einfach gerne die Sachen machen, die mir am besten gefallen. In allen Genres finde ich was wieder. Ich höre nicht nur Hip-Hop, ich höre auch Indie, Klassik – auch ein bisschen Jazz – deswegen klingt das so, wie es klingt. Und es ist voll schön, dass es jetzt so ein Sound geworden ist, bei dem die Leute sagen, das erkennt man, aber ich hatte nie diese Absicht.
Dein neues Album „Klebstoff“ ist seit Kurzem draußen. Man kann es, wie du selbst sagst, gar nicht in ein Genre stecken. Wie würdest du deinen Musikstil beschreiben?
Ich glaube, ich kann den nur sehr schwer beschreiben, weil ich am nächsten dran bin und von Anfang an den Songwriting-Prozess mitmache. Ich bediene mich sehr vieler Genres und sehr vieler Instrumente – also neuer Sounds. Und ansonsten sage ich einfach echt immer deutschsprachiger Indie-Pop.
Die Texte sind alle auf einer sehr persönlichen Ebene. Über was schreibst du am liebsten?
Mir macht alles Spaß. Wenn mir mal was keinen Spaß macht, dann mache ich es nicht. Außer die Steuererklärung. Die mache ich trotzdem. Eigentlich ist es für mich schwierig, diese ganzen Gefühlssachen nach außen zu tragen, aber was anderes schreiben kann ich irgendwie nicht. Es ist immer sau persönlich.
Ich hab dieses Mal auch ein paar Sachen auf dem Album, die nicht so melancholisch sind – so zwei bis drei Tracks. Ich hatte Bock, ein bisschen was Positiveres zu schreiben, weil ich das in dem Augenblick mehr gefühlt habe.
Auf dem Album gibt es eine Kollaboration mit Giulia Becker, die über ihren Song „Verdammte Schei*e“ im Neo Magazin Royale bekannt wurde. Wie kam es zu der Kombination?
Ich habe Giulia in einer Instagramstory verlinkt. Daraufhin hat sie mir geschrieben und gesagt, dass sie ein Fan ist, da bin ich völlig ausgerastet. Ich hatte gerade den Song „Einfach so“ geschrieben und dann dachte ich mir: jetzt oder nie. Ich habe sie gefragt und sie hat sofort ja gesagt. Sie hat mir den Text geschickt, ich habe ihr die Melodie mit ihrem Text zurückgeschickt und sie kam ins Studio und hat es eingesungen.
Gerade entsteht auch ein neues Bewusstsein über die Repräsentation von Frauen in der Musikwelt. Im Zuge dessen wird auch über die Frauenquote auf Festivals diskutiert. Was denkst du dazu?
Ich bin da echt gespaltener Meinung. Eigentlich sollte die Kunst für sich sprechen und man sollte weder einen Vor- noch einen Nachteil haben, wenn man Frau, Mann oder auch divers ist. Das sollte keine Rolle spielen, finde ich.
Aber andererseits ist es so, dass die Verhältnisse so sind, wie sie sind, und um etwas daran zu verändern, muss man aktiv etwas tun. Wenn Frauen weniger Jobs auf Festivals bekommen, können sie sich natürlich auch weniger weiter entwickeln. Das wiederum bedeutet, dass die Skills auch nicht so gut sein können, wenn man nicht so viele Live-Gigs hat. Und ich glaube auch, dass Geschmack nur Hörerfahrung ist. Ich glaube, dass man sich an gewisse Dinge gewöhnen muss, damit man sie gut findet. Eine obligatorische Frauenquote finde ich aber auch nicht gut – es ist wirklich ein schwieriges Thema.
Jetzt stehen noch zwei Wochen Deutschland-Tour an und danach ein langer Festivalsommer. Auf was freust du dich am meisten?
Oh, ich freue mich auf alles. Ich kann dir sagen, – real Talk – die Promophase hat mich echt fertig gemacht und Interviews führen ist echt nicht so meins. Ich will Musik machen und wenn man so viel Werbung macht, wird einem die Zeit weggenommen. Ich rede die ganze Zeit nur über irgend-etwas, was ich tue, aber tue es im Prinzip gar nicht mehr. Jetzt ist wieder die Zeit, in der ich Musik machen kann. Ich kann es gar nicht abwarten, ich freue mich auf alles. Ich freue mich auf die Tour, auf Festivals und ich freue mich darauf, neue Songs zu schreiben. Ich freue mich auf das Jahr einfach. Jetzt kann ich es genießen. Ja – wird geil.
Das Gespräch führte Lea Schön