Volt ist eine junge paneuropäische Bewegung und tritt bei der Europawahl in acht verschiedenen Ländern an – mit einem einzigen Programm
Die Fülle der Plakate, die in diesen Wochen die Laternen verhüllen ist groß: die Parteien liefern sich auf kommunaler und Europaebene eine papiergewordene Materialschlacht. Zwischen den bekannten Farben und Gesichtern hängen in diesem Jahr auch schlicht und modern designete violette Plakate der Partei Volt. Lisa Rauer und ihr „Städteteam“ Heidelberg haben sie für die neue, paneuropäische Partei verteilt. Noch vor einem Jahr hatte die 28-jährige Doktorandin nichts mit Parteipolitik jedweder Couleur zu tun.
Vom 23. bis 26. Mai wird die paneuropäische Bewegung in acht Ländern mit ein und demselben Programm auf dem Wahlzettel stehen. In 14 Staaten ist Volt bereits als Partei registriert. Veranlasst durch Brexit Votum und wachsenden Rechtspopulismus gründeten drei junge Europäer im März 2017 die Bewegung. Nur wenige andere Parteien agieren in Europa grenzübergreifend. Der politische Ansatz ist trotzdem eine Neuheit.
Die Bewegung hat administrativ gesehen fast unternehmerische Züge. Immer wieder fallen Begriffe wie „Best Practice“, die Agenda und das Parteiprogramm wird von einem „Policy Team“ ausgearbeitet, bevor es online auf einer Kommunikationsplattform von allen Mitgliedern kommentiert und dann abgestimmt werden kann. Lisa Rauer nennt das einen „progressiven Weg, Politik zu machen“. Rauer ist 28 Jahre alt, promoviert in Heidelberg in der Psychiatrie und startete im Juni 2018 spontan ihr eigenes „Städteteam“. Sie sieht in Volt eine Partei, die die „Probleme unserer Zeit und Generation“ ernst nimmt. „Ich hatte mitbekommen, dass der Klimawandel ein internationales Thema und die einzig logische Konsequenz eine internationale Lösung ist“.
Im Raum Heidelberg gibt es etwa 20 aktive Mitglieder. Über einen ARTE-Beitrag und der Präsenz im Wahl-O-Mat hätte die Partei in letzter Zeit immer mehr Aufmerksamkeit und viele neue Anmeldungen erhalten. Vor allem junge akademische Kosmopoliten fühlen sich vom Wahlprogramm angezogen. So vereinen sich unter den Heidelberger „Voltern“ Studierende der Psychologie, BWL oder Politikwissenschaften. Aber auch die Notwendigkeit, andere Bevölkerungsschichten anzusprechen, erkennt sie an. Laut Parteimitglied Andreas Gottschalk sei dies aber erst wirklich möglich, wenn beispielsweise auch Sozialversorgungssysteme auf europäischer Ebene organisiert würden.
Der Soziologe ist kommunal parallel bei „Heidelberg in Bewegung“ aktiv. Langfristig muss er sich jedoch entscheiden, denn die selbsternannten Europäer wollen zukünftig auch auf Stadt-, Landes- und Bundesebene mitmischen. Vorreiter ist beispielsweise Mainz, wo man kommunal bereits lila wählen kann. Volt fühlt sich jedoch keinem traditionellen politischen Lager verpflichtet. „Wir machen faktenbasierte Politik und folgen keiner Ideologie.“ Gottschalk nennt die Bewegung „sozialliberal“.
Die langfristige Vision: Eine grundlegende Reform der EU hin zu einem föderalen Staat. Bis dahin fehlt jedoch noch einiges. Das nächste Ziel ist der Einzug ins Europaparlament. Doch Rauer ist optimistisch: „Selbst wenn nur in Bulgarien jemand für Volt einzieht, werde auch ich mich durch den Abgeordneten repräsentiert fühlen.“
von Alexandra Koball