Wer einen Halbmarathon laufen will, nimmt gehörige Strapazen auf sich. Unsere Redakteurin lernte in ihrem Selbstversuch viel über die Wichtigkeit der persönlichen Motivation
[dropcap]A[/dropcap]m 7. April fand der 38. Heidelberger Halbmarathon statt. Von der TSG 78 Heidelberg veranstaltet lockt diese sportliche Großveranstaltung Lauffreudige aus 17 Nationen an. Das Besondere am Halbmarathon in Heidelberg? Eine sehenswürdige und abwechslungsreiche Kulisse, vereint mit einer anspruchsvollen und höhenmeterreichen Strecke.
Jährlich starten 3200 ambitionierte Leichtathleten sowie Amateure, die aus verschiedensten Gründen zum Lauf motiviert sind. Für Philipp, Student und Leichtathlet, geht es um das besondere Erfolgserlebnis. Sein Ziel war es in diesem Jahr, unter den schnellsten zehn Läufern zu sein. Tatsächlich kam er als Zweiter ins Ziel.
Abseits der Marathonspitze beruht die Teilnahme auf dem Spaß an der Bewegung und dem Willen zur gesunden Lebensführung. Daneben motiviert Sportbegeisterte die Feststellung der Leistungssteigerung. Nicht zuletzt erfreuen sich die Läufer an der Stimmung und Gemeinschaft. Neben den Läufern versammeln sich zahlreiche anfeuernde Zuschauer. Auch der gute Zweck wird bedient, denn seit diesem Jahr wird der „Staffelstab“-Preis an soziale und kulturelle Projekte verliehen, der in Höhe von 5000 Euro aus Spenden- und Sponsorengeldern finanziert wird.
Mit diesen Gründen im Hinterkopf, meldete ich mich für den Halbmarathon an, um einen Selbstversuch zu wagen. Ein Monat Vorbereitung sollte für mein Ziel reichen, in zwei Stunden ins Ziel zu kommen.
Dabei vertraute ich auf meine Grundausdauer vom Rudersport. Es galt lediglich, sich an die Strecke und Höhenmeter zu gewöhnen. Zwei Kommilitonen, Nam und Theresa, schlossen sich meinem intensiven Trainingsplan an. Trotz der Intensität machte mir die Vorbereitung wirklich Spaß. Der Schatten der Anstrengung wurde durchleuchtet von guten Konversationen oder beruhigender Stille, spielerischem Wettkampf oder hypnotischem Gruppenrhythmus. Ich legte zahlreiche Kilometer in einem ungewohnt schnellen Tempo mit einer Leichtigkeit zurück, die allein die Begleitung meiner Freunde auslöste. Dementsprechend bereit und optimistisch fühlte ich mich auch am Tag des Halbmarathons: Ich wärmte mich auf, fand einen Startplatz und ließ mich vom Strom der Läufer mitziehen. Bis ich nach zehn Kilometern einen Fluchtweg aus dem Strom suchte. Nachhaltig geprägt lief ich über die Hirschgasse zurück zum Neckar und zu meinem Ruderverein. Körperlich noch unausgelastet schloss ich mich dort meiner Trainingsgruppe an. Das Ruderboot wurde ein Safespace für mich. Da saß ich nun und reflektierte: Was war in der letzten Stunde passiert? Unmittelbar nach dem Startschuss lag die erste Hürde darin, Platz für meine Schritte und mein Lauftempo zu finden. Dass bei so vielen Menschen einige hundert Meter vergehen müssen, damit alle einen angemessenen Laufabstand finden, ist wohl ein Naturgesetz. Es belastete mich, dass Überholvorgänge häufig riskant oder über energieverschwendende Umwege geschehen. Von gemütlich schwatzenden Grüppchen oder gar händehaltenden Laufpaaren umgeben war ich auf einmal isoliert – und Isolation in einer Menschenmasse demotiviert. Ein Gemeinschaftsgefühl stellte sich bei mir auch nicht durch das Zujubeln und Vollgasverlangen fremder Zuschauer ein. Mein Blick irrte von den Waden der Vorauslaufenden über das Meer an Zuschauerköpfen. Zusätzlich vernahm ich in kürzester Zeit Blaskappellenmusik, elektronische Beats und das Läuten von Kuhglocken als Finale. Ich unterlag einer totalen Reizüberflutung und fand meinen gewohnten Laufrhythmus und die sonst übliche Entspannung nicht. Ich streckte meine Hand aus nach allem, was mir gewöhnlich Freude am Laufen bereitete. Doch es antwortete nur ein Zuschauer mit einem handfeuchten „High Five“. All das ertragen, nur um am Ende sagen zu können, dass ich 21 km gelaufen sei?
Die Beweggründe zur Teilnahme am Halbmarathon, insbesondere die Teilhabe an einer besonderen Atmosphäre und Gemeinschaft, offenbarten sich als das genaue Gegenteil meiner persönlichen Motivation am Laufsport.
Ob ein Halbmarathon Spaß bereitet, entscheidet sich für jeden individuell. Und zur Höchstleistung bin ich nur dann bereit, wenn ich im echten Wettkampf bin oder mich allein die eigene Stimme oder die meiner Freunde antreibt.
Ich weiß, dass ich die Halbmarathonstrecke in zwei Stunden laufen kann. Beweisen werde ich mir das demnächst in einem Zweitversuch. Dann aber nur in Begleitung von Nam und Theresa.
Von Bérénice Burdack