Hier sind fünf Kneipen, die du vielleicht noch nicht auf dem Radar hast – aber definitiv im Gedächtnis behalten wirst. Prost!
Bar Centrale – Neuenheim
Zwar nicht direkt in der Altstadt, aber dennoch sehr zentral, liegt einmal über die Brücke am Bismarckplatz rüber, in Handschuhsheim die „Bar Centrale“. Im Winter kaum auffällig, versteckt sie sich hinter einer Holzfensterfront gegenüber vom Marktplatz in der Ladenburgerstraße und entfaltet erst im Frühjahr ihr „äußeres“ Potential. Sobald es wärmer wird weitet sich das Mobiliar auf die Terasse am Marktplatz aus und man kann auch noch abends die letzten Sonnenstrahlen bei einem kühlen Bier oder Wein genießen. Kommt man vor 20:30 Uhr vorbei, bekommt man hier das perfekte Caféfeeling geboten. Auf gemütlichen Sofabänken und Holzstühlen, an kleinen Tischen kann man sich mit Freunden auf einen Cappuccino mit Herzchenmuster im Milchschaum treffen und in Ruhe plaudern. Um halb 9 verwandelt sich das „Café“ dann in eine Bar. Das Licht wird gedimmt, Teelichter auf allen Tischen verteilt und leise Musik erfüllt den Raum. Jetzt wird es romantisch in der Bar Centrale, zumindest im hinteren Teil des länglichen Lokals. Hier finden sich hauptsächlich Pärchen und stefstein Gespräche versunkene Personen, während sich vorne an der Bar das Leben tummelt. Unterschiedlichste Gruppen sitzen direkt an der Theke, auf einen Feierabendbier oder zum gemeinsamen Essen an einem der Tische. Die Besucher des Lokals lassen sich kaum in eine Schublade stecken, man trifft hier auf Menschen unterschiedlichen Alters. Auch das Klischee einer typischen Partykneipe erfüllt die Bar Centrale nicht. Wer sich hingegen für einen gemütlichen Abend mit seinen Freunden auf einige Drinks oder auch zum Essen treffen und sich einfach nur unterhalten möchte, ist hier genau richtig. Ihren ganz eigenen Charme erhält die Bar durch die sanfte Beleuchtung und insbesondere durch die teilweise gemauerten, durch Holzbalken unterbrochenen, Wände. Es ergibt sich ein stimmiges Bild, das dazu einlädt hier mehr Zeit zu verbringen als nur für ein schnelles Bier oder einen eiligen Kaffee. Neben der gemischten Getränkeauswahl – von Heißgetränken über Softdrinks und Biere, bis hin zu Gin, Tequila und Whiskey – bietet die Bar Centrale auch kleine Snacks und sogar Hauptgerichte an. Für den kleinen Hunger ist besonders das Sandwich mit Ziegenkäse und Feigensenf zu empfehlen. Wenn es etwas mehr sein darf, vielleicht Spagetti mit Pesto und Kirschtomaten und dazu ein Glas Wein? Aber Vorsicht bei der Auswahl. Bis fast 50€ kann man hier bei der Bestellung einer Flasche Wein ausgeben. Dann vielleicht doch lieber ein Augustiner Helles! Ansonsten finden sich in der Menükarte eher durchschnittliche bis leicht gehobene Preise für Getränke und Essen, die das Image einer „Mittelstandskneipe“ repräsentieren. Wer sich einmal etwas dekadent ein Frühstück mit nahezu mediterranem Flair gönnen möchte, ist auf der Terrasse der Bar Centrale genau richtig. Und wenn man mal keine Begleitung dafür findet, einige Meter neben den Sitzgelegenheiten auf dem Marktplatz steht ein kleines zunächst unscheinbares Bücherregal, aus dem man sich einfach ein Buch zum Schmökern heraussuchen kann.
Jessica Fernau
Karizma – Bahnstadt
Im idyllischen Industriegebiet Heidelbergs östlich der pompös-moderen Bahnstadt befindet sich das Café „Karizma“ in einer Gegend die nicht viel vermuten lässt. Beim Versuch des ersten Betretens wird man auf die Probe gestellt: Nur diejenigen, die wirklich und wahrhaftig das Lokal betreten wollen, beschäftigen sich mit der sich nicht-öffnen-wollenden Tür und kommen auf die Idee, einfach die um die Ecke auszuprobieren.
Beim Betreten habe ich ein Déja Vu, allerdings kommt mir die Situation nicht aus meinem eigenen Leben bekannt vor, sondern aus Westernfilmen die ich wider meines Willens geschaut habe: sie erinnert mir an die typische, in jedem derartigen Film untergekommene Szene in der ein lange auf der Reise gewesene Cowboy eine Bar betritt, sich die gesamte Belegschaft schockiert umdreht und die Zeit kurz stehen bleibt. Nun ist meine Situation zum Glück weniger bedrohlich und mehr witzig, doch so ganz willkommen fühle ich mich nicht. Vermutlich sind die Stammkunden, die an einem Tisch in der Mitte sitzen und Karten spielen nicht prinzipiell gegen neue Besucherinnen und Besucher, sondern eher schockiert, dass jemand nach gefühlten Jahren mal wieder das Lokal betritt.
Dieser Ort ist vermutlich einer der wenigen letzten in Heidelberg, der nicht mit der Zeit mitgegangen ist und sich selbst treu geblieben ist, mutmaße ich ohne zu wissen wie es hier einst aussah. Den Einrichtungsstil empfinde ich als ein wenig fragwürdig, ich kann ihn nicht ganz zuordnen, geht am besten selbst hin und schaut es euch an. Um ein paar Elemente in den Raum zu werfen möchte ich die Teppich-Tischdecke, knallig-gelb-orange-verrauchte Wände, ein türkischer Kalender, sowie die zwei Spielautomaten erwähnen. Beim Untersuchen des Raumes fallen noch viele weitere interessante Gegenstände auf, ein Scherlock ist wer das Schachbrett entdeckt. Ein bisschen ist es hier wie in unserer Stammkneipe in der Heimat, nur dass wir hier keine Stammgäste sind. Trotzdem fühle ich mich nicht unwohl, zwar auch nicht ganz wohl, aber definitiv wohler als im „Jinx“ oder im „Mohr“. Hier kann man sein, oder eben nicht sein, auf jeden Fall aber anonym sein. Niemand interessiert sich für einen, niemand nervt, weil hier eben auch fast niemand ist. Es ist wesentlich entspannter mit seinen Freundinnen und Freunden hier einen Abend zu verbringen und in Ruhe mal miteinander sprechen zu können ohne dass einem, wie auf der Unteren, verschwitzte alkoholisierte Menschen und viel zu laute Musik einen Strich durch die Rechnung machen. Man kann sich auch zurückziehen und sein Glück an einem der beiden Spielautomaten versuchen, welche vermutlich ein größeres Suchtpotenzial bergen als der Zigarettenautomat in der Ecke. Leider sind die beiden Automaten heute belegt, zu meinem Pech, da ich diesen Abend gerne als Chance genutzt hätte zum ersten Mal in meinem Leben mein Geld, also die paar Euros die ich für diese Erfahrung bereitstellen würde, zu verzocken. Nun spielen wir aber ein anderes Glücksspiel, das klassischste aller Kartenspielen „Arschloch“, da wir mit dem Kartenregal im Hintergrund nicht still sitzen konnten. Man sollte, wenn man hier denn Karten spielen möchte, aber auf jeden Fall darauf achten dass man sie vorher sortiert um nach verlorenen Karten zu suchen. Nach langjähriger Nicht-Benutzung kann sowas ja auch mal passieren.
Ihr wollt natürlich unbedingt wissen, wie teuer die Getränke nun waren, aber wir erfuhren es auch erst ganz zum Schluss beim Bezahlen. Für Zwei Euro bekommt ihr bei „Karizma“ ein Becks, mehr Infos habe ich leider auch nicht. Nehmt diesen Preis sowie die Ungezwungenheit dieses Ortes als größtes Argument ins „Karizma“ zu kommen. Nur hier könnt ihr so stressfrei und ruhig euer Feierabendbier zippen wie es die alten Männer so tun.
Von Xenia Miller
Züchterklause – Handschuhsheim
Im Norden von Handschuhsheim. Hinter den letzten Reihenhausreihen der Zivilisation und im Angesicht von Acker und Pferd, erschließt sich dem erschlafften Wanderer eine Kneipe der anderen Art. Der Kleintierzuchtverein C 74 hat in der „Züchterklause“ seinen Stammsitz. Während die Untere Straße vom Getöse der ewig gleichen grölenden Gestalten vor dem Jinx und der Wand an Zigarettenrauch starrt, erwartet den Besucher der Züchterklause nach Land riechende Luft und Ruhe vom Stadtlärm. Ein wenig wirkt die Züchterklause so, als ob ihre Erbauer versucht hätten die Stimmung von spätsommerlichen Familienfesten in einen überdachten Außen- und einen holzvertäfelten Innenbereich zu bannen. Neben im Vergleich zu der Altstadt paradiesisch günstigen Preisen (Ein großes Palmbräu aus der Flasche ist bereits für 2,20€ zu haben), kann man sich gleichzeitig beherzt durch eine mehr oder weniger vegetarische Speisekarte schlemmen, während die Sonne hinter den Feldern von Handschuhsheim versinkt. Die Züchterklause ist ein absolutes Muss für Freunde des klassischen Feierabendbieres, sowie des 80er Jahre KneipenInterieurs. Besonders charmant ist die Stammkundschaft, die eine Brücke zwischen Dorf- und Stadtkneipe schlägt. Hingegen weniger geeignet ist die Züchterklause, um ganze Nächte zu durchzechen. Sie ist zwar jeden Tag der Woche ab 10 Uhr morgens geöffnet, schließt jedoch bereits um 22 Uhr.
Von Frederik Kaufmann
drugStore – Altstadt
Beim Betreten der Kneipe weht dem erwartungsvollen Gast eine verführerische Mischung aus Kaffeeduft, Zigarettenqualm und frisch gezapftem Bier entgegen. An der Bar tummeln sich Studierende, die ihren harten Unialltag entspannt ausklingen lassen möchten, und in den dunklen Ecken der Bar messen sich eingefleischte Schachspieler miteinander. Während alte Klassiker aus der Musikanlage tönen, erhellen einige warm leuchtende Lichterketten das Ambiente.
Günstige Preise und dunkelrote
Sitzecken, in denen man wortwörtlich versinkt, laden zum Verweilen ein, sodass man hier bis vier Uhr morgens abtaucht und am frühen Morgen beschwipst nach Hause torkelt.
Von Alina Jacobs
rorbar – Rohrbach
Wer schon länger in Rohrbach wohnt, kennt sie wahrscheinlich schon, aber auch für Neugierige aus anderen Heidelberger Stadtteilen ist die interessante Mischung aus Café und Bar in der Rathausstraße zu empfehlen. Draußen laden ein paar komfortable Tische und Stühle zum Genießen der letzten Sonnenstrahlen ein, während innen ein entspanntes Wohnzimmerflair geboten wird. Die Tische und Sitzgelegenheiten, welche so wirken, als hätte man sie auf verschiedenen Flohmärkten zusammengeklaubt, bieten eine interessantes Ambiente, irgendwo zwischen Vintage-Laden und hippen Café, aber noch so bodenständig, dass man keine aus Yak-Tränen gebraute Mate in der Hand halten muss. Ähnlich wie beim Mildners erinnern die Stühle an ein Klassenzimmer, im typisch modernen, aber rustikalen Stil. In der rorbar wird dieses Muster allerdings durch die intimere Atmosphäre und die sanftere Farbgebung aufgelockert. Auf dem bequemen Sofa oder der gemütlichen Nische am Fenster lässt es sich gut aushalten.
Für das leibliche Wohl ist unter anderem mit diversen hausgemachten Leckereien gesorgt – so werden alle Backwaren in der Bäckerei „Zuckerrohr“, die der gleichen Besitzerin gehört, hergestellt. Dazu gehören diverse Kuchen, manche davon auch mit einer veganen Option, wie der vegane Carrot Cake. Besonderer Beliebtheit scheinen sich außerdem die Bagel zu erfreuen, welche anscheinend schon vor Stunden ausverkauft waren. Eigens hergestellt werden außerdem täglich wechselnde Suppen. All diese Leckereien finden sich direkt an der Theke. Speisekarten gibt es, abgesehen von einer Tafel, welche über die Getränkeoptionen aufklärt, keine. Stattdessen kann man sich aber auf das Urteil der Mitarbeiter stützen. Eine große Auswahl an Getränken bietet die rorbar ebenfalls: Neben den Klassikern Pils, Weißbier, verschiedenen Weinen werden außerdem einige Longdrinks serviert. Wer lieber etwas Alkoholfreies genießt, kann entweder auf eine Auswahl an Erfrischungsgetränken wie der allseits beliebten Fritz-Cola zurückgreifen oder es auch sich mit einem Cappuccino bequem machen.
Auch auf Nachhaltigkeit wird, zumindest teilweise, in der rorbar geachtet: Die fehlende Speisekarte soll der Papierverschwendung vorbeugen und die wiederverwendbaren Trinkhalme aus Edelstahl den Plastikmüll reduzieren.
Eine schöner Hingucker sind außerdem die über einer Sitzgruppe ausgestellten Fotografien, welche lokalen Künstlern eine Möglichkeit zur Ausstellung geben sollen. Derzeit sind dort Werke der Fotografin Eyla Riechert ausgestellt. Für etwas Abwechslung sorgen außerdem verschiedene Events, die am Wochenende stattfinden: So legen mal verschiedene DJs auf oder es wird ein Poetry Slam veranstaltet.
Insgesamt wirkt die rorbar ein bisschen wie ein Nachbarschaftstreffpunkt und genau das macht ihren Charme aus. Wer hier gemütlich einen Kaffee oder ein Bier trinken und nebenbei etwas essen möchte, wird sich hier gut aufgehoben fühlen.
Von Stefanie Haas
[box type=“shadow“ ]Stimmung Preis Gesamteindruck[/box]
Xenia Miller studiert Politikwissenschaften und Soziologie und schreibt seit Sommersemester 2018 für den ruprecht. Sie schreibt von verkalktem Trinkwasser über Kabarettist*innen und Autor*innen bis hin zu Drachenbootfahren über alles, was sie so interessiert. Herzensthema bleibt natürlich die Politik. Im Wintersemester 19/20 leitete sie das Ressort Weltweit, seit Sommersemester 2020 das Ressort Heidelberg als Doppelspitze.