Ein Kommentar von Vera Peternek
Keine Angst, der tut nichts, der will nur regieren. Davon, den Präsidenten nur zu spielen, scheint Wladimir Selenski genug gehabt zu haben.
Er versprach, die Korruption zu bekämpfen, das Land zu einen und dem Westen zu öffnen. Hiermit eroberte er das Herz der Ukrainer, hierfür wählten sie ihn zum Staatsoberhaupt: Vasyl Petrovych Holoborodko, Selenskis Fernsehrolle. Man könnte sagen, es sei die Rolle seines Lebens: der kleine Mann, der zum Präsidenten aufsteigt. Doch drängt sich die Frage auf: Wo liegt der Unterschied zwischen Rolle und Realität? Die internationale Presse fragt sich momentan: „Wer kennt diesen Mann?“ Holoborodko kannten die Ukrainer als frisches Gesicht in der Politik. Was hingegen Selenski will, ist obskur. Sein Wahlkampf glich einer Werbetour für seine Serie, „Diener des Volkes“, was zufällig auch der Name seiner Partei ist. Anstelle von Wahlwerbung zeigte er lieber Trailer seiner Serie. In Selenskis Politik verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Sofern man von Politik sprechen kann, denn „kein Politiker!“ scheint Trumpf und Garant für den Wahlsieg zugleich zu sein. Ein Millionär und Schauspieler einer Reality-Show, die von dem Oligarchen Igor Kolomoisky gesponsert wird – wer könnte besser geeignet, sein den Sumpf zu trocknen, als der der selbst darin schwimmt? Nur böse Zungen würden Parallelen ziehen. Politiker sind Schauspieler, aber sind Schauspieler auch Politiker? Daran, ob sich Selenski an die Versprechungen einer fiktiven Figur gebunden fühlt, lässt er keinen Zweifel. Eines seiner Wahlplakate lautete: „Keine Versprechen – keine Entschuldigungen.“ Wer die Versprechen nicht selbst gemacht hat, kann sie nicht brechen. Ein solcher Humor mag hilfreich sein, um die Realität in Biedermeiermanier zu ertragen, in guten Zeiten mag dies zum Protest der wohlsituierten Mittelklasse ausreichen, doch Missstände verschwinden dadurch nicht. Im Wahlkampf war Selenski meist ein stiller Kontrast zu rhetorischen Schreihälsen. Niemand kennt die wahren Motive. Da bleibt zu hoffen, dass er sich nicht als Wendehals entpuppt. Denn einen Satz haben wir in den letzten Jahren zu oft vor einem bösen Erwachen gesagt: „Der tut nichts, der will nur spielen!“