Wir alle folgen professionellen Instagram-Accounts. Aber wieviel Arbeit steckt eigentlich dahinter? Unsere Redakteurin wagt einen Abstecher in die Social-Media-Welt und versucht sich als Influencerin
Sieben Tage voller Oberflächlichkeit, Egozentrik, teurem Essen und glitzerndem Lidschatten – klar bin ich dabei! Als ich mich dafür melde, sieben Tage lang das Influencer-Dasein auf einem der womöglich weitreichendsten Kanäle der gesamten Welt zu erkunden und alle meine täglichen Erlebnisse auf der Social-Media-Plattform auszuschlachten, empfinde ich eine Mischung aus ansteigender Euphorie und Nervosität. Bereits während des Abendessens plane ich energiegeladen eine Woche voller atemberaubender Aktionen und suche nach Orten in Heidelberg, die ich besonders ästhetisch in Szene setzen kann. Die halbe Nacht lang google ich nach Tipps, möglichst viele Follower zu erreichen. Mein Profil ist mit insgesamt acht Bildern und etwa 160 Followern doch mit Sicherheit noch auszubauen.
Im weltweiten Netz wird mir dringlich empfohlen, ein bestimmtes Talent auf Instagram zu teilen, die richtigen Hashtags zu setzen und generell so natürlich wie nur möglich zu wirken. Alles, um möglichst viel Reichweite zu erlangen und zur nächsten Kim Kardashian emporzusteigen (offensichtlich ein Ziel, das man als Influencer unbedingt verfolgen möchte?). Außerdem sollte ich meine Posts schon mehrere Tage im Voraus planen. Es begeistert mich, coole Pics für die nächsten Tage zu konstruieren, zu überlegen, womit ich meine sich in den nächsten Tagen hoffentlich neu aufbauende Community erreichen kann, welche tollen Eigenschaften ich in der Welt der Influencer propagieren möchte. Doch stets bleibt mir im Hinterkopf, dass mir wohl immer noch nicht ganz klar ist, wie ich meine Persönlichkeit in kurze bildliche Sequenzen einbauen kann oder zumindest einen Abklatsch von ihr darstellen soll. Immerhin stelle ich mein Profil jetzt auf öffentlich. So kann mich jeder erreichen, der im Gegensatz zu mir wahrscheinlich entspannt auf der Couch sitzt und sich über meinen plötzlichen Ehrgeiz, eine große Influencerin zu werden, lustig macht.
Bereits am nächsten Tag beginne ich mein Projekt. Ich flaniere abends durch die Weststadt, lasse mich in der Nähe der Christuskirche ablichten und besuche eine der Pizzerien vor Ort, die einen atmosphärischen Innenhof besitzen. Schon bevor das Essen serviert wird, hole ich mein Smartphone heraus und bitte meine Begleitung, etliche Bilder von mir und meinem teuren Aperitif zu machen. Ein Getränk, das ich mir an einem einfachen Donnerstagabend sicherlich nicht mal eben so leisten würde. Aber was tut man nicht alles, um seinen Fame zu vermehren. Und auch erst nachdem ich ausreichend Fotos von meinem Abendessen gemacht habe, fange ich an, es zu genießen, obwohl meine Begleitung bereits länger als sonst auf mich warten musste.
Auch das Wochenende verläuft gut. Ich gehe auf verschiedene Partys, stelle Pics von mir und meinen Freunden, mir und teuren Drinks, mir und Zigarettenpackungen, mir und meinen neusten kapitalistischen Errungenschaften auf Instagram. Meine Follower mehren sich innerhalb von Stunden. Genauso, wie mein Selbstbewusstsein sich schier ins Unendliche steigert. Wenn ich noch ein paar Monate so weitermache, kann ich vielleicht als Influencer-Sternchen den ersten Hunderter einheimsen.
Zum einen bin ich überrascht, wie einfach das alles zu Beginn funktioniert, aber gleichzeitig fühle ich mich wichtiger, als ich eigentlich sollte. Die Menschen mögen, was ich mache – ein Gefühl, das jeder gerne empfindet, auch, wenn man es von einer Plattform, die falsche Körperbilder und ebenso falsche Hoffnungen erweckt, erhält. Doch der rasende Erfolg nimmt ein schnelles Ende, als sich die neue Woche nähert. Während meiner Vorlesungen habe ich weder Zeit irgendwelche coolen Bilder zu posten, noch bin ich dazu in der Lage, mich auf den Vortrag des Dozenten zu konzentrieren. Alle zwanzig Minuten aktualisiere ich mein Profil auf Insta – ein Follower weniger, zwei dazu, wieder einer weniger. Meine Aufgabenblätter habe ich allesamt nicht vorbereitet. Das Posten von neuen Erlebnissen auf Insta hat mich sowohl meine Zeit als auch einen Großteil meiner Konzentration gekostet. Auch während des Lernens horche ich auf das leise „Ping“ meines elektronischen Begleiters und fühle mich immer mehr eingeschränkt. Als schließlich auch mein Schlaf darunter leidet und ich bis 24 Uhr noch wach im Bett liege, bin ich froh, dass die Woche endlich rum ist. Ich verspüre das Bedürfnis, mich in eine Entzugsklinik einliefern zu lassen.
Anstatt weiterhin von meinem Smartphone abhängig zu sein, zünde ich mir lieber mal eine Zigarette an. Ich habe schließlich schon genug Laster – Instagram wird keins davon bleiben.
Von Alina Jacobs