„Dequartier“ machen seit fünf Jahren deutschsprachigen Indie-Rock. Im Mai ist ihr zweites Album „Alles oder Nichts“ erschienen. Wir haben ihrem Probenkeller in Wiesloch einen Besuch abgestattet
Wiesloch, ein sonniger Tag im Juni. Die Kleinstadt im Süden von Heidelberg fühlt sich an wie ein großes Dorf irgendwo zwischen Idylle und Langeweile. Auf dem Klingelschild des gelben Einfamilienhauses klebt neben dem Familiennamen ein „Dequartier“-Sticker. „Lars Mutter ist immer am Start“, werden die Jungs mir später im Probenkeller erzählen. Irgendwann hatte der Frontsänger seine Eltern gefragt, ob sie das Bürozimmer im Untergeschoss noch brauchen würden. Heute stapeln sich im Keller Verstärker und Kabel. Schon seit über fünf Jahren machen „Dequartier“ Musik.
Thematisch bewegt sich die fünfköpfige Band zwischen Selbstfindung, Liebe und Aufruf zu politischer Partizipation. Ihre Texte sind simpel, aber nicht belanglos. Ihr Stil ist energetisch, aber nicht einschüchternd – Ein spannendes Mash-Up irgendwo zwischen „den Ärzten“ und „Von wegen Lisbeth“. Die Frage nach dem Genre sei schwierig. „Wir würden uns selbst im deutschsprachigen Indie-Rock verorten. Klar haben wir alle unsere Vorbilder aber ich glaube, dass es noch nichts wie uns gibt. Und das ist das Geniale“, meint Drummer Niklas.
Immer wieder wird es in den Songs politisch. Auch wenn Wiesloch eher konservativ-grün, als rechts ist, wäre das keine Ausrede, sich nicht zu engagieren. „Scheiße passiert überall“. Das spricht auch aus ihren Texten: „Positionier dich, geh nach draußen. Sag, was du ändern willst im Land“. „Wir sind gegen Extremismus aus jeder Richtung“, fügt Lead-Gitarrist Joel hinzu. Er hat den Song „Nazikneipe“ geschrieben.
Bei „Dequartier“ sind alle zu gleichen Teilen am Song-Schreiben beteiligt. „Einer bringt einen Text, der andere schreibt drüber, dann kommen Harmonien und Mehrstimmigkeit dazu.“ Das führt zu einem einheitlichen Stil, der trotzdem viele Farbtöne hat. Manchmal Punk, dann wieder bekömmlicher Pop mit Trompetensoli. Die Konzerte sind voller Energie. Die Fans singen mit, tanzen und pogen. „Ich steh halt einfach gern auf der Bühne.“, meint Lars. „Lars kann das einfach gut“, meinen die anderen. Gerade wenn „Dequartier“ in ihrer Heimatstadt Wiesloch spielen, wird deutlich, dass die Band nicht erst seit gestern Musik macht. Zum Release Konzert ihres neuen Albums „Alles oder nichts“ kamen fast 150 Leute.
Angefangen hatte alles im Ottheinrich-Gymnasium Wiesloch. Zu den jährlichen Schulgottesdiensten, später auch zu Theatervorstellungen, spielten die Band in wechselnden Besetzungen. Irgendwann kam Frontsänger Lars Wilke dazu. Eine engagierte Religionslehrerin fragte damals, ob die Band „ein ADHS Kind aus der Zehnten“ gebrauchen könne. Konnte sie. Von Lobpreis und bekiffter Schülerband ist vier Jahre später nichts mehr zu sehen. Letzteres sei ohnehin ein Klischee, dass sie hinter sich lassen wollen. Mit Namensänderung und neuem Album ist das gelungen.
Finanziell komme man letztlich bei der schwarzen Null raus. Das eigene Equipment sei Hobby. „Meist gibt’s nur Spritgeld und Freibier. Das wäre eigentlich auch ein geiler Bandname. Oder Albumtitel.“ Als ich im Gehen bin, reden die Jungs über anstehende Gigs und die Setlist für den nächsten Auftritt. „Das Album schreibt sich auch nicht von allein“, wirft Bassist Florian in die Runde.
Mittlerweile kann „Dequartier“ auftreten, ohne sich jede Woche zu treffen. „Das würde auch gar nicht mehr funktionieren“, meint Joel. Die fünf Wieslocher Musiker sind heute über ganz Baden-Württemberg verteilt. Doch das hält sie nicht ab weiterzumachen. „Es ist keine Option, das zu lassen. Wir sind bereit für alles“. Wider Erwarten klingt das weder lächerlich noch utopisch. Es klingt nach einem ehrlichen und begeisterten Zukunftsplan.
Von Alexandra Koball