Bei dem Running-Dinner der Hochschulgruppe „Go Ahead!“ sprinten Menschen von Mahlzeit zu Mahlzeit und lernen sich dabei kennen
An einem heißen Donnerstagnachmittag begeben sich sechs Unbekannte in eine schöne Altbauwohnung in der Weststadt. Dort nehmen sie an einem Running-Dinner, das von der Hochschulgruppe „Go Ahead!“ organisiert wird, teil. Man könnte vermuten, dass man bei einem Running-Dinner während des Essens rennen soll. Doch die Idee ist, für ein dreigängiges Menü an einem Abend von drei verschiedenen Teilnehmenden bei ihnen zu Hause bekocht zu werden.
Dies funktioniert wie folgt: Man meldet sich im Internet zu zweit an, jeder Gruppe wird ein Gang zugeordnet, und schließlich wird einem gesagt, zu welcher Uhrzeit man bei wem zum Essen kommen soll. Es geht vor allem darum, neue Leute kennenzulernen, ins Gespräch zu kommen, sich zu begegnen und untereinander auszutauschen.
Gleichzeitig soll auch auf die Projekte der Hochschulgruppe aufmerksam gemacht werden. Die Gruppe setzt sich in der Region Subsahara-Afrika für eine bessere Bildung und einen Ausweg aus materieller Armut und HIV/AIDS ein.
Die Initiatorin Sarah Peters, die heute eine der Vorspeisen serviert, erklärt mir, dass „Go Ahead!“ bei ihren Projekten sehr darauf achte, die Bedürfnisse der Menschen vor Ort zu berücksichtigen. Sie tue das nicht auf eine grobe Art von wegen: „Hier, wir bauen euch ein Haus“, sondern durch Unterstützung von lokalen Projekten und Netzwerken.“
Dafür brauchen sie natürlich nicht nur Mitglieder, die über ihre Mitgliederbeiträge die Vorhaben finanzieren, sondern auch Spenden. Beim Running-Dinner werden keine Spenden gesammelt, im Gegensatz zu den Wohnzimmerkonzerten oder Poetry-Slams, die auch von der Gruppe veranstaltet werden.
Bei diesem Running-Dinner ist das Eis schnell gebrochen, es kommt einem vor, als sitze man in einer Runde von jahrelangen Freunden. Vielleicht liegt das daran, dass die Teilnehmenden alle nicht zum ersten Mal hier sind und sich teilweise noch von den letzten Dinnern kennen. Damals habe eine Gruppe aus Versehen bei der falschen WG geklingelt, die gar nichts mit dem Dinner zu tun hatte, sie aber trotzdem empfangen hat, weil sie diese für Partygäste hielten. Auch sei eine Gruppe gar nicht zu der Hauptspeise erschienen, weil sie die Tram-Linie 23 in die falsche Richtung nahm und nach Leimen fuhr. Ansonsten gebe es aber sehr selten derartige Probleme. Meistens liefe der Abend sehr geordnet ab.
Das Besondere an diesem Format sei, dass man Menschen kennenlerne, die nicht in der eigenen „Blase“ verkehren und die man so niemals getroffen hätte. So fänden Studierende der Universität, der Pädagogischen Hochschule sowie auch bereits Berufstätige, wie beispielsweise Sarah, zusammen. Sarah zog erst vor Kurzem von Marburg nach Heidelberg, da sie mit ihrem Studium fertig wurde und einen Job in einer Marketing-Firma fand. Dennoch wollte sie in der Hochschulgruppe „Go Ahead!“ bleiben, um hier „Anschluss zu finden und Kontakte zu knüpfen“, was für sie sehr gut funktioniert habe.
Auch beim Hauptgang werden alle schnell warm miteinander, man merkt, dass hier nur Menschen mitmachen, die auch wirklich Lust darauf haben, neue Leute kennenzulernen. Da sich hier ein paar Lehramtsstudierende getroffen haben, wird ausgiebig über das Lehrerdasein diskutiert.
Es werden zwar keine Nummern ausgetauscht, aber vermutlich werden sich viele der Teilnehmenden auch in Zukunft noch über den Weg laufen. Spätestens beim nächsten Dinner, das wahrscheinlich Ende Oktober statfinden wird. Tatsächlich begegne ich eine Woche nach dem Dinner Antonia, eine der Teilnehmerinnen, auf einer WG-Party.
von Xenia Miller
Xenia Miller studiert Politikwissenschaften und Soziologie und schreibt seit Sommersemester 2018 für den ruprecht. Sie schreibt von verkalktem Trinkwasser über Kabarettist*innen und Autor*innen bis hin zu Drachenbootfahren über alles, was sie so interessiert. Herzensthema bleibt natürlich die Politik. Im Wintersemester 19/20 leitete sie das Ressort Weltweit, seit Sommersemester 2020 das Ressort Heidelberg als Doppelspitze.