Von der Kunst der höflichen Ablehnung
Der Bio-Burger von McDonalds hat es, die Cola Life hat es, und selbst die meisten Ökostromtarife der Stadtwerke haben es: die Farbe Grün in ihrem Schriftzug. In Gestalt der vorgetäuschten Nachhaltigkeit ist sie zur Farbe des Fortschritts avanciert. Die christliche Tradition verband mit grün einmal die Hoffnung auf Leben. Denkt man an die Geschäftspraktiken vieler Konzerne, erscheint das etwas makaber. Es mag ein Schock für weite Teile der Gesellschaft sein, aber es muss einmal ausgesprochen werden: Fortschritt und Leben sind nicht dasselbe.
Tief in uns steckt ein hartnäckiger Fortschrittsglaube, der sich oft, wenn auch nicht immer, auf die Lösbarkeit aller Probleme durch Technik beruft. Mögen die Zeit und der Stand der Forschung nur reif dafür sein. Alles wird lösbar sein, Klimawandel, Tod, und ja, vielleicht auch die Frage nach dem nächsten Parteivorsitz der SPD.
Aber warum sind wir uns eigentlich so sicher, dass unsere Gesellschaft seit der Steinzeit stetig fortschreitet und sich verbessert? Angesichts der Lage der Welt seit eh und je sollten wir vielleicht besser einmal innehalten und unsere Wortwahl überdenken. Denn weit angemessener scheint der Begriff des Schritts. Ja, der Mensch macht Schritte, er entwickelt und produziert unentwegt Neues. Aber ob diese Schritte vor oder zurück gehen, ob sie konstruktiv sind oder nicht, das sollte vorerst eine offene Frage bleiben.
Und momentan lautet der Schritt scheinbar grüner Konsum. Wir haben das Gefühl, damit alles lösen zu können, zuvorderst den Klimawandel. Auf die Idee, weniger zu konsumieren, kommen wir nicht. Und wenn doch, bleibt es bei der Idee. Industrie und Influencer schlagen uns eine komfortable Gewissensberuhigung vor und wir machen fröhlich mit: Wir kaufen Kleidung aus Bio-Baumwolle, Elektroautos und Bambuszahnbürsten.
Was dabei verborgen bleibt: Auch Bio-Baumwolle verbraucht Wasser und auch Elektroautos verbrauchen Energie. Und zwar zu viel, wenn wir diese grünen Alternativen einfach in dem gleichen Maße konsumieren wie Standardklamotten und Fortbewegungsmittel mit Verbrennungsmotor.
Wir brauchen einen neuen Zeitgeist, ein neues Lebensgefühl. Wir sollten mit dem Post-Wachstums-Ökonom Niko Paech öfter sagen: Nein, Danke. Nein Danke, ich habe genügend Kleidung. Nein Danke, ich brauche kein eigenes Elektroauto, ich nehme die Bahn. Nein Danke, ich brauche keine Avocado, um mich hip zu fühlen, das erledigen meine Möhren im Garten.
Das „Öko-Sein“ sollte auch in der breiten Masse nicht mehr über grünen Konsum definiert werden, sondern über den Nicht-Konsum. Was für ein Unsinn, mit Marie Kondo ausrangiertem Zeug zu danken. Wir sollten uns eher entschuldigen, dass wir es gewollt und gekauft haben und so zum freiwilligen Unterstützer einer wahnsinnig gewordenen Industrie geworden sind. Eines jeden Leben sollte sich nach dem Motto richten, dass man nicht mehr als eine Hose gleichzeitig tragen kann. Denn mit einem gepflegten „Nein, Danke“ kann man die Konsumfabrik so hart treffen wie mit sonst nichts.
von Valerie Gleisner