Russland ist ein schwieriges Pflaster für Fridays for Future. Öl und Gas machen allein über die Hälfte der Exporte des Landes aus und die Wirtschaft steigt und fällt mit dem Ölpreis. Ganze Städte existieren einzig und allein wegen des Abbaus von Bodenschätzen. Man beutet die Natur aus – sie ist eine Ressource, die es zu nutzen gilt. Umweltschutz? Fehlanzeige.
Deswegen ist auch in der gedruckten Presse, im Fernsehen und im Radio der Klimawandel kein Thema, meint Veronika, 25, aus Sotschi am Schwarzen Meer. „Der durchschnittliche Russe weiß noch nicht mal, dass es den Klimawandel gibt,“ schätzt sie.
Dazu kommt ein sehr restriktives Demonstrationsrecht: Ein Protest muss nicht nur angemeldet, sondern auch genehmigt werden. Dies ist jedoch fast nie der Fall, und wenn eine Demonstration doch genehmigt wird, darf sie nur in einem kleinen Park irgendwo am Stadtrand stattfinden, erzählt Veronika. Ohne Erlaubnis der Behörden darf man zwar allein, nicht zu zweit oder gar in Gruppen demonstrieren. Letztere Form des Protests, auf Russisch „Piket“ genannt, ist allerdings für Minderjährige verboten. Zu anderen Demonstrierenden gilt es, einen Mindestabstand von 50 Metern zu wahren, auch Reden dürfen nicht gehalten werden. Und auch das eigentlich legale Piket schützt einen nicht vor Repressionen – am 25. Oktober wurden in Moskau drei Fridays for Future Demonstrierende von der Polizei festgenommen. Ljubov, 20, ist eine der Verhafteten. „Zehn Mal“, erzählt sie, „haben wir versucht, eine offizielle Demonstration anzumelden. Zehn Mal hat man es uns verboten. Also haben wir wieder im Piket demonstriert.“ Ljubov und den beiden anderen Verhafteten drohen bis zu zehn Tage Haft. Aufgeben werden sie und ihre Mitstreitenden aber nicht, auch Greta Thunberg hat ihnen schon auf Instagram ein „Stay strong“ gewünscht.
Diese schwierigen Umstände sind der Grund, warum Fridays for Future in Russland eine sehr kleine Bewegung ist. Ljubov schätzt, dass es in ganz Russland nur etwa 15 Gruppen gibt. Veronika hat für den 29. November die Erlaubnis für eine öffentliche Demonstration erhalten – sie hofft, dass bis zu 30 Leute kommen werden. Für eine deutsche Großstadt eine undenkbar niedrige Zahl, für Veronika wäre es ein großer Erfolg.
von Hannah Steckelberg
Hannah Steckelberg studiert Osteuropastudien und Germanistik im Kulturvergleich. Seit 2016 ist sie beim ruprecht – erst nur als Fotografin, seit 2017 auch als Autorin. Am liebsten schreibt sie Reportagen aller Art sowie ihre Kolumne “Hochschule bleibt stabil”. 2019/20 leitete sie zwei Semester lang das Ressort Seite 1-3, inzwischen lebt sie in Wien.