Der „lebendige Geist“ der Universität Heidelberg wurde auch durch die studentische Presse erstickt. Wie aus einer Studierendenzeitung ein Kampfblatt wurde
Im Jahr 1929 ist Der Heidelberger Student mit dem Anspruch einer unabhängigen Studierendenzeitung angetreten – doch im Zuge der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten war von der Unabhängigkeit bald nichts mehr zu sehen. Der Heidelberger Student verkam zu einem Sprachrohr des Heidelberger Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (HNDStb).
So erklärte Gustav Scheel, HNDStb Hochschulgruppenführer, in der Ausgabe vom 29. April 1933, dass es auch in der Verantwortung der Heidelberger Studierenden liege, sich an der großen Neugestaltung Deutschlands zu beteiligen. In derselben Ausgabe erschienen die „12 Thesen“ gegen den „jüdischen Geist (…) im deutschen Schrifttum“ den es „auszumerzen“ gelte. Scheel rief die Studierenden zu einer Sammelaktion auf: Die deutschen Studierenden sollten aus sämtlichen Lesehallen und Bibliotheken nichtdeutsche Werke und Schriften entfernen. Nach einem Fackelmarsch fand am 17. Mai 1933 gegen 22 Uhr die „öffentliche Verbrennung von antivölkischen Propagandaschriften und der jüdisch-marxistischen Zersetzungsliteratur“ auf dem Universitätsplatz statt. Wenig später ermahnte Scheel die Studierenden zur Ordnung und verbot politische Einzelaktionen jeglicher Art. Wer gegen die Regel verstoße, werde aus der NSDAP ausgeschlossen.
Im Zuge der Kriegsvorbereitungen gab es laut Der Heidelberger Student einige Versuche, die Studierenden auf den Wehrdienst vorzubereiten, wie beispielsweise durch die Einführung des Wehrsportes. Die Studierendenschaft hatte jedoch nur wenig Interesse am SA-Sportabzeichen und dem militärischen Drill auf dem Universitätsplatz. Des Öfteren wurde sich über die mäßige Teilnahme am Wehrsport in der Zeitung beschwert.
Weitere Aufrufe und Beschwerden gab es über die heute allseits beliebte Marstall-Mensa. Mitglieder der NSDAP sollten sich nur an mit Hakenkreuzen gekennzeichneten Tische setzen, so der „Heidelberger Student“. Da die Mensa schon damals gut besucht war, nahmen sich die Amtsträger der Studierendenschaft das Recht heraus, sich vorzudrängeln, wie in der Zeitung berichtet wird. Wie auch der ruprecht musste sich Der Heidelberger Student durch Anzeigen finanzieren: Das „NSDAP-Verkehrslokal“ schaltete häufig Werbung in der Zeitung, heute ist das Lokal als „Vater Rhein“ bekannt. Tatsächlich scheint sich im Leben der Heidelberger Studierenden nicht viel verändert zu haben; in vielen Artikeln beklagt man sich über die Wohnungsnot und überfüllte Hörsäle.
Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass parallel dazu die Hochschule dem Führerprinzip unterworfen wurde: Gewaltbereitschaft war allgegenwärtig. Mit der Erlassung der Nürnberger Gesetze und dem deutschen Beamtengesetz wurden schließlich alle Juden ihren Ämtern in der Heidelberger Universität enthoben.
Mit fortschreitender Jahreszahl mehrten sich nun auch die Propagierungen des „heiligen Verteidigungskrieges für Leben, Ehre und Freiheit des Volkes“. Außerdem ging der Studentenbund 1936 ein Abkommen mit der SA ein, welches beinhaltete, dass sogenannte Stammmannschaften aufgestellt werden sollten. Die Organisationen setzten sich aus besonders vorbildlichen nationalsozialistischen Studenten zusammen. Ihre Aufgabe bestand darin, das nationalsozialistische Gedankengut in der Studierendenschaft zu verbreiten. Die Berichtserstattung durch den „Heidelberger Student“ endete im Februar 1938 abrupt.
Von Rebecca Möbius und Lena Werger