Anzug und Hemd, Rednerpult und schlaue Fragen – Veranstaltungen im Rahmen der Wissenschaft wollen vor Allem ernst genommen werden. Eine fällt aber aus der Reihe. Jeden September findet in der Harvard University die Ig-Nobelpreis-Zeremonie statt. Der Name kommt von „ignoble“, zu Deutsch: unwürdig. Die Preise werden von tatsächlichen Nobelpreisträgern übergeben, und die Preisträger bringen es zu einem beachtlichen Ruhm. Angesichts ihrer unterhaltsamen Forschungsthemen ist das nur verständlich. So wurde ein Forscherteam aus Deutschland 2016 für die Entdeckung geehrt, dass ein linksseitiger Juckreiz durch rechtsseitiges Kratzen gelindert wird – wenn man dabei in den Spiegel schaut.
Die Veranstalter, das Magazin Annals of Improbable Research, wollen mit ihrer Arbeit auf Forschung aufmerksam machen, die einen erst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringt. Davon gibt es jede Menge: Die Redaktion des Magazins findet jedes Jahr genügend Stoff für sechs Ausgaben. Der ruprecht sprach letztes Jahr bereits mit dem Molekularbiologen Russ Hodge, der die Pizza als lebendigen Organismus untersucht. Nur die besten schaffen es schließlich auf die Bühne der Harvard University.
Die demütigend klingende Preisverleihung entpuppt sich als eine selbstironische Veranstaltung voller Humor und Denkanstößen. Laut dem „Ig-Friedenspreisträger“ von 2017 hilft Digeridoospielen gegen Schnarchen, und eineiige Zwillinge können sich laut einem europäischen Preisträgerteam auf Fotos kaum voneinander unterscheiden.
Doch die Preise lenken die Aufmerksamkeit nicht nur auf lustige Themen, sie werden auch politisch. So erhielt VW im Rahmen der Dieselaffäre einen Ig-Nobelpreis für die Idee, dafür zu sorgen, dass die Fahrzeuge gerade beim Testen von Abgaswerten weniger Schadstoffe ausstoßen. Allerdings erschien kein Vertreter des Konzerns zur Preisverleihung. Dies ist nicht die Regel: Die meisten Preisträger nehmen trotz des fragwürdigen Anlasses selbstironisch an der Zeremonie teil.
Die Veranstaltung ist genauso „ignoble“ wie der Preis. Das Publikum wirft mit Papierfliegern, es werden Sketche gespielt und auch die Dankesreden sind zeitlich streng begrenzt. Wenn ein Preisträger überzieht, stürmt ein kleines Mädchen auf die Bühne und ruft: „Please stop! I’m bored!“ Die Stimmung ist zwanglos, und ganz nebenher lernt man Neues. Der Ig-Nobelpreis feiert Kuriositäten, steht aber auch im Dienst der Wissenschaftskommunikstion. Neben allem Klamauk soll er auch das Interesse an den Naturwissenschaften wecken.
Bisher gingen die Preise größtenteils an Amerikaner, nur eine Handvoll deutscher Wissenschaftler wurde hier geehrt. Der diesjährige Preisträger Fritz Strack etwa bewies, dass man mit einem Stift zwischen den Zähnen lächeln muss – und widerlegte dasselbe in einer Folgestudie.
Von Lena Hilf
...studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Sie leitete erst das Ressort Hochschule und später das Ressort Wissenschaft.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.