„Ach, das ist doch ganz normal“, sagen Frauenärzte häufig, wenn sich menstruierende Patientinnen bei ihnen über Regelschmerzen beschweren. Schließlich sind Frauen zu dieser Zeit des Monats ja ohnehin zu wehleidig. Oder?
Vier bis sechs Millionen Frauen in Deutschland sind von starken Regelschmerzen betroffen. Jede zehnte von ihnen leidet unter Endometriose – eine chronische Krankheit, bei der sich Zysten und Entzündungen an den Eierstöcken, dem Darm oder dem Bauchfell ansiedeln.
Der Verlauf der Krankheit ist bei jeder Frau unterschiedlich. Sie tritt bereits mit der Pubertät oder erst mehrere Jahre später auf. Einige Frauen verspüren trotz verstreuter Endometrioseherde kaum Schmerzen. Bei anderen verschwinden die Schmerzen bereits, wenn die Endometrioseherde zum ersten Mal entfernt werden. Bei den meisten ist eine lebenslange Therapie erforderlich.
Wer Endometriose hat, leidet an starken Schmerzen. Die Periode, der Geschlechtsverkehr oder der Gang zur Toilette werden für die Betroffenen meist unerträglich. Ein Kinderwunsch bleibt häufig unerfüllt.
Das ist nicht nur körperlich, sondern auch mental enorm belastend. Laut Tewes Wischmann, Psychotherapeut und Berater für Endometriose an der Universtiätsklinik, liegt dies auch an der Umgebung der Patientinnen. „Typisch für die Erkrankung sind die Gefühle des Nicht-verstanden-Werdens und des Nicht-ernstgenommen-Werdens“, erklärt er.
Zumeist leiden die Patientinnen jahrelang unter den Schmerzen, ohne zu wissen, woran es liegt. Kann man seiner Umgebung keinen greifbaren Grund dafür nennen, wieso man denn schon wieder nicht zur Arbeit, Geburtstagsfeier oder zum Sport kommen kann, stößt das oft auf Unverständnis.
Für die Betroffenen macht Endometriose auch das Eingehen einer Beziehung nicht leichter. Wie sagt man einem potenziellen Partner am besten, dass der Sex bei einem starken Schmerzen verursacht? Und vor allem: Wann spricht man das an?
Eine endgültige Diagnose ist nur durch einen operativen Eingriff möglich, bei dem der Patientin eine Gewebeprobe entnommen wird. Da eine voreilige Operation allerdings weder von Ärzten noch den Patientinnen gewünscht ist, vergehen bis zur Diagnose meist Jahre. Der Eingriff wird so lange hinausgezögert, bis die Schmerzen für die Patientinnen nicht mehr erträglich sind und diese sich schließlich zu einer Operation durchringen.
Werden Endometrioseherde bei Patientinnen entdeckt, bedeutet das Klarheit – darüber, dass ihre Schmerzen eben doch nicht „ganz normal“ waren, und darüber, dass es eine Ursache für ihre Leiden gibt. Bis zu dieser Einsicht kann es allerdings dauern: Vom Ausbruch der Krankheit bis zur Diagnose vergehen im Durchschnitt sechs Jahre.
Bei Beata dauerte die Diagnose sogar länger. Als sie mit 15 Jahren das erste Mal ihre Tage bekommt, leidet sie unter extremen Unterleibsschmerzen. Sie kann nicht wirklich glauben, dass das „normal“ sein soll. Jahrelang ist der Gang zu Frauenärzten vergeblich. Erst nach 18 Jahren wird sie schließlich an die Endometrioseklinik in Heidelberg überwiesen. Dort erfährt sie, dass sie eben nicht einfach zu wehleidig war, sondern, dass sie an Endometriose erkrankt ist.
Die Therapie der Krankheit erfolgt grundsätzlich auf mehreren Wegen. Zunächst beseitigt man bereits vorhandene Endometrioseherde, dann führt man eine hormonelle Behandlung und eine Schmerztherapie durch. Ziel der hormonellen Behandlung ist es, den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut zu verhindern, sodass diese auch nicht mehr ausgeblutet werden muss. Konkret heißt das: Die Patientinnen sollen ihre Periode nicht mehr bekommen. Dies erreichen sie dadurch, dass sie die Pille ohne Blutungspause nehmen. Dies lindert zumindest die Schmerzen, auch wenn es an der Ursache für die Endometriose nichts ändert. Seit Beata diagnostiziert wurde, nimmt auch sie die Pille. Das hat alles geändert: „Ich habe jetzt ein vollkommen neues Leben“, sagt sie.
Wichtig für die Betroffenen ist nicht nur die Linderung der Schmerzen, sondern auch, sich mit Menschen auszutauschen, die das Gleiche durchmachen wie sie selbst. Als Annika vor anderthalb Jahren von ihrer Krankheit erfährt, geht sie für drei Wochen in eine Reha. Dort trifft sie auf andere Frauen, die unter Endometriose leiden. Da sich die Krankheit bei jeder Frau unterschiedlich auswirkt, sind die Erfahrungen nie ganz die gleichen. „Traf man auf eine neue Patientin in der Gruppe, haben wir sie als erstes gefragt: ‚Wie ist deine Endo und wie lange hast du sie schon?‘“, erinnert sie sich. Gemerkt habe Annika dort, dass die Patientinnen trotz des unterschiedlichen Krankheitsverlaufs etwas verbinde. „Es ist einfacher, mit Menschen zu reden, die eine ähnliche Erfahrung wie du gemacht haben“, erklärt sie. „Es gibt dort einfach ein bestimmtes Verständnis, da man viele Dinge nicht erklären muss.“
Wie auch Beata und Annika kritisieren viele Patientinnen, dass ihre Frauenärzte trotz jahrelanger Beschwerden nicht erkennen, woran sie erkrankt sind. Sie würden sich nicht ausreichend mit Endometriose auskennen und ihre Patientinnen nicht genügend darüber aufklären.
Allerdings habe sich unter den Frauenärzten bereits einiges gebessert, sagt Ariane Germeyer. Sie leitet die Endometriose-Sprechstunde an der Uniklinik. „Der Kreis an Kollegen, der sensibilisiert ist, wächst durch Fortbildungen auf diesem Gebiet und die mediale Aufmerksamkeit, welche diese Krankheit in den letzten Jahren bekommen hat.“
Annika findet es wichtig, dass Frauen, die an den Symptomen einer Endometriose leiden, sich hartnäckig und mit offenen Worten an ihre Frauenärzte wenden. Außerdem könne man sein eigenes Umfeld sensibilisieren, um die Krankheit schneller ausfindig zu machen.
Von Elif Dabazoğlu
Kontakt zur Selbsthilfegruppe „Endomäuse Heidelberg“: endo@basieg.de
Termine für die Endometriosesprechstunde am Uniklinikum können unter 06221 56-7934 vereinbart werden.