Wer den Widrigkeiten des Lebens zu entfliehen versucht, kann im Weinloch eine Zuflucht finden. Beim Öffnen der Tür mit rauchschwangerer warmer Luft, Stimmengemurmel und Gläserklirren empfangen, gilt es nun, einen Tisch in einer der dunklen Ecken der Kneipe zu finden.
Roland, seit Urzeiten dort Barkeeper, ist an den Wochenenden in seinem Lokal zu finden und unterhält sich mit den Stammgästen in ruppiger Herzlichkeit. Man kennt sich. Im Vorbeilaufen haut er einem etwas zusammengesunkenen älteren Mann auf die Schulter: „Und willste ‘ne Schorle, ‘n Bier?“ „Ne, ‘n Aschenbecher!“, entgegnet er kurz angebunden und wendet sich wieder dem Fernseher in der Ecke zu.
Keine Musik, sondern Fußball bildet den Hintergrund der Unterhaltungen an diesem Sonntagabend, an dem es viel zu früh dunkel wurde.Warum also nicht die Gedanken an die nächste Woche mit ein paar Rotweinschorlen auf Abstand halten? Mit einem Preis von 2,50 Euro und einem großzügigen Mischverhältnis von Sprudel und Wein ist dieses Vorhaben absolut erschwinglich.
Einige Gäste sitzen für sich allein, mit einer Schale Erdnüsse, einem Bier und einer Packung Kippen am Tisch.
Andere sind in schweigender Gesellschaft, bis das Geschehen auf dem Fernseher die Emotionen hochkochen lässt und der Raum sich mit Diskussionen über Schiedsrichterentscheidungen, Abseits und Torjubel füllt.
Langsam werden die Geräusche wieder gedämpfter, ab und zu schallen aus dem Kontext gerissene Sätze durch den Raum: „Frauen oder Menschen?“ Die mehrheitlich männliche Gesellschaft lacht in ihre Biergläser. Studierende sind am Wochendene eher weniger im Weinloch zu finden. „Ihr seid doch viel zu jung für den Laden! Und ihr raucht so viel!“, kommentiert ein Gast lachend. Er winkt Roland heran: „Mach mal ein paar Schnäpse für die jungen Leute hier, ja?“
An Samstagen allerdings kann man auch unter 40-Jährige antreffen, glücklich noch eine Kneipe mit Plätzen zu finden. Seit 70 Jahren existiert das Lokal, schon immer versammelten sich verschiedenste Menschen von Studierenden bis Arbeitern an seinen Tischen.
Mit seinen dunklen Wänden, wackligen Tischen und schummrigen Lichtern wirkt der Ort wie ein Refugium der Geschichte, einer verklärten Vergangenheit. Auch wer sich wie Charles Bukowski philosophierend über die Gesellschaft auslassen möchte, ist hier am richtigen Platz: „Das Leben ist eine Illusion, hervorgerufen durch Alkoholmangel“, soll der Schriftsteller einmal gesagt haben.
Einzelne Lebensgeschichten steigen in die Luft, vergehen wie Zigarettenrauch und klappen über dem Tisch zusammen – weil zwölf Bier an einem Abend doch zu viel waren.
Von Nele Bianga