Zu große Augenbrauen, Mom-Jeans, Choker – irgendwie fehlt einem der große Trend unserer Jugend, eine modische Subkultur, die einem 2040 noch sofort in den Sinn kommt. Unsere Eltern hatten die Exzentrizität der 80er, unsere Großeltern die Hippies in den 60ern. Manch einer wird sich noch an die Basic White Girls erinnern. Doch was bleibt der Generation Z? Dieses Jahr hat es sich herausgestellt: die VSCO-Girls.
Wer sich 2019 auf YouTube, Instagram und insbesondere TikTok rumgeschlagen hat, der konnte den VSCO-Girls nicht entkommen: „sksksksksksks and i oop –“ ertönte es im Sommer aus jeder Ecke der Explorerseite. Sie stehen für Natürlichkeit und Mühelosigkeit, sie scheuen sich nicht davor, ungeschminkt in einem eher wenig schmeichelhaften T-Shirt der Größe XXL und einem unordentlichen Zopf das Haus zu verlassen. Ihre Wertsachen bewahren sie in ihrem Fjällräven Kånken (das sind diese Hipster-Rucksäcke) auf, und falls sie doch die Haare offen tragen sollten, haben sie stets ein Stoff-Haargummi, bekannt als Scrunchie, um ihr Handgelenk bereit. Ist der Look fertig kreiert, so sind die VSCO-Girls bereit, ein süßes Bild für ihr Instagram zu schießen. Diese Bilder werden dann mit der App VSCO-Cam bearbeitet (übrigens ausgesprochen „visco“, nicht v-s-c-o), mithilfe derer der Effekt einer Einwegkamera entstehen soll, als könnte es frisch aus den 90ern stammen.
Die Kernbotschaft des Trends wird aber eigentlich erst mit dem Leitspruch „Save the turtles!“ klar: die Umweltfreundlichkeit. Was die VSCO-Girls bekannt gemacht hat, ist, dass sie dafür werben, nachhaltiger zu leben, weshalb sie grundsätzlich nur noch Metallstrohhalme und Metallflaschen, sogenannte Hydroflasks, benutzen.
Hier stellt sich die Frage, wieso VSCO-Girls so zum Gespött des Jahres wurden. Anfang des Jahrzents waren es die Basic White Girls, über die man wegen ihrer Liebe zu ihrem Starbucks Pumpkin Spice Latte gnadenlos herzog, aber man würde meinen, unsere Gesellschaft ist seitdem so weit gekommen, dass man sich nicht mehr über 16-jährige Mädchen lustig machen muss. In Zeiten von Fridays for Future wäre man doch eher der Auffassung, dieser Trend, Metallstrohhalme und wiederverwendbare Flaschen zu benutzen, würde willkommen geheißen. Nun wird mich schon bald das Gegenargument erreichen, wegen VSCO-Girls’ Konsum von umweltschädlichem X, Y und Z könne man ihren Umweltschutz ja nicht ernstnehmen. Doch wer kann bitte von sich behaupten, 100 Prozent klimaneutral zu leben? Ich denke, jedes VSCO-Girl wird wissen, dass sie durch ihren Metallstrohhalm nicht den Klimawandel aufhalten kann, doch ich zumindest schätze den Anfang definitiv wert.
Die VSCO-Girls stellen modisch gesehen kaum eine gesamte Generation dar. Doch die Grundidee, durch Mode nachhaltiger zu leben, scheint eine Entwicklung zu sein, an der sich die meisten ein Beispiel nehmen könnten. Und seien wir mal ehrlich: Es gab schon schlimmere Trends.
Eine Kolumne von Natascha Koch
Natascha Koch studiert Politikwissenschaften und Geschichte und schreibt seit 2019 für den ruprecht. In ihren Artikeln dreht es sich um aktuelle politische und gesellschaftliche Trends und alles, was die Welt bewegt – oder auch nur das Internet. Seit 2020 leitet sie das Ressort für die Seiten 1-3.