Die australischen Waldbrände haben eine kleine Region südlich von Sydney besonders hart getroffen. Eine Fotostrecke zwischen zerstörten Häusern und ausgebrannten Trucks
Australien brennt. Seit Oktober entstehen immer wieder große Buschfeuer, vor allem im Bundesstaat New South Wales. An der Südküste des Bundesstaates liegt der Shoalhaven, eine beliebte Urlaubsregion für Menschen aus Sydney und Canberra. Im Shoalhaven, der etwa doppelt so groß wie das Saarland ist, ist seit dem Beginn der Waldbrände 2019 fast 90 Prozent der Gesamtfläche abgebrannt. Unzählige Häuser und Außengebäude wurden zerstört, ganze Ortschaften vom Feuer dem Erdboden gleichgemacht. Somit ist der Shoalhaven eines der von den Waldbränden am stärksten betroffenen Gebieten. Insgesamt sind an der Südküste bereits sieben Menschen gestorben.
Im Jahr 2012, als ich 17 war, lebte ich als Austauschschülerin bei mehreren Gastfamilien in den Vororten von Nowra, der Hauptstadt des Shoalhaven, und besuchte dort eine High School. Am 31. Januar, dem bis dato schlimmsten Tag der Waldbrände, sah ich in den Instagram Stories meiner wenigen Freunde, die noch nicht aus dem Gebiet geflohen waren, den gleichen Horror: Rauch, ein roter Himmel, dann Dunkelheit. Flammen und Funkenstürme. Ein guter Freund schickte mir ein kleines Video, wie sein Vater mit einem Gartenschlauch gegen die Flammen kämpfte, die nur knapp 100 Meter von seinem Haus entfernt waren. Sein Vater überlebte, auch das Haus wurde nicht beschädigt. Dieses Glück hatten aber nicht alle – das Elternhaus einer Mitschülerin aus meinem Mathekurs wurde komplett zerstört. Die Mutter eines Mitschülers aus dem Chemieunterricht erlitt, stressbedingt, zwei Schlaganfälle. Aber sie lebt, immerhin.
Auch ich sah 2012 meinen ersten australischen Waldbrand. 40km entfernt, die Luft war klar, nur an einem Nachmittag konnte man kurzzeitig Rauch riechen. Trotzdem hatte meine Gastfamilie eine Emergency-Evacuation-Tasche gepackt. Dieses Jahr ist es anders – die Feuer sind näher, als sie es am Ort Nowra je waren. Die Luft ist seit Wochen so stark verschmutzt, dass viele Menschen nur noch mit Atemmasken vor die Tür gehen. Ein Freund sagt mir, dass er seit mindestens zwei Wochen keinen klaren Himmel mehr gesehen hat, so schlimm sind die Rauchwolken. Eine Evakuierungstasche haben diesmal alle Familien gepackt – aber nicht alle können fliehen, wenn die Brände wieder schlimmer werden, denn viele Straßen sind noch immer gesperrt, außerdem wird das Benzin knapp. Die Südküste steht kurz vor einer humanitären Katastrophe, in vielen Ortschaften gibt es sein Tagen keinen Strom, Lebensmittel und Trinkwasser werden knapp.
Dass die diesjährigen Waldbrände eine zuvor nie gesehen Dimension haben, ist meinen Freunden und Bekannten im Shoalhaven klar. Und auch, dass der Klimawandel die Hauptschuld daran trägt, dass die Sommer immer heißer und trockener werden, was die Waldbrandsaison wiederum länger und gefährlicher macht. Mit dem Krisenmanagement der Regierung sind sie nicht zufrieden, und auch in der Facebook Gruppe „Shoalhaven Fire Updates“, deren Ziel der Austausch unter Betroffenen ist, hat kaum jemand ein gutes Wort über den australischen Premierminister Scott Morrison und die Premierministerin von New South Wales, Gladys Berejiklian, zu verlieren. In höchsten Tönen gelobt wird jedoch der Chef des Rural Fire Service, Shane Fitzsimmons. Er sei immer informiert, ruhig, nehme die Sorgen der Menschen ernst und tue sein Allerbestes, und sei einfach rundum ein „top bloke“, heißt es in der Gruppe. In den Zeiten der Krise ist Shane Fitzsimmons ein Fels in der Brandung, von vielen wird er bereits als „Australian of the year“ gehandhabt.
Um das Ausmaß der Brände im Gebiet Shoalhaven zu zeigen, habe ich Freunde und auch Mitglieder der Facebook Gruppe gebeten, mir Handyfotos zu schicken. Was Ihr hier seht, sind keine professionellen Aufnahmen von Pressefotografen oder der Feuerwehr. Es sind Schnappschüsse der betroffenen Anwohner. Sie dokumentieren diese Ausnahmesituation. Ich trage nur ihre Fotos nach Deutschland und in die Öffentlichkeit.
Von Hannah Steckelberg
Hannah Steckelberg studiert Osteuropastudien und Germanistik im Kulturvergleich. Seit 2016 ist sie beim ruprecht – erst nur als Fotografin, seit 2017 auch als Autorin. Am liebsten schreibt sie Reportagen aller Art sowie ihre Kolumne “Hochschule bleibt stabil”. 2019/20 leitete sie zwei Semester lang das Ressort Seite 1-3, inzwischen lebt sie in Wien.