Die bekanntesten Unternehmen, die mit DNA-Tests die Herkunft bestimmen und somit Ahnenforschung betreiben, heißen Ancestry und 23andMe. Schon einmal gehört? Gut möglich, denn diese Firmen betreiben aufwendige Werbung in sozialen Medien wie Instagram oder YouTube. Gehör finden sie besonders bei Influencern oder Personen des öffentlichen Lebens, die sie entweder sponsern oder durch die Verheißung anziehen, ihre familiären Wurzeln zu entdecken. Eine Win-Win-Situation also.
Die Anbieter versprechen ihren Kunden, etwaige Verwandte und Informationen über die Wanderungen der Vorfahren herauszufinden, sogar Erkenntnisse über mögliche Krankheiten bereitzustellen. Steckt hinter diesen Verlockungen eine kommerzielle Masche? Oder können die Anbieter mit ihren wissenschaftlich fundierten Methoden die Kunden überzeugen und ihre Versprechen bestätigen? Und das für nur schlappe 69 Euro bis 199 US-Dollar pro Starter-Kit?
Da die DNA eines jeden Menschen zu 99 Prozent gleich ist, unterscheiden sich Menschen bloß minimal in ihrem Erbmaterial. Bei der Genomsequenzierung untersuchen Wissenschaftler deshalb sogenannte Marker: bestimmte Stellen der DNA, die bekannt dafür sind, die Unterschiede zu beherbergen.
Nachdem die DNA einmal untersucht wurde, vergleichen die Forscher sie mit den Referenzgruppen aus den Stichproben der Firmen. Diese besitzen Datenbanken mit vielen DNA-Stichproben aus aller Welt. Bei einem Vergleich der eingesendeten DNA mit den Referenzgruppen kann man dann Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausmachen. So kann die mögliche Abstammung geografisch genauer bestimmt werden.
Die Kunden können ihre Ergebnisse auf einer Onlineplattform hochladen. Sie können sowohl entfernte als auch nahestehende Familienmitglieder finden, falls diese ihre Daten ebenfalls auf die Plattform geladen haben. So entstehen Stammbäume, und Privatpersonen können in Datenbanken und Archiven nach Informationen über Verwandte suchen. Natürlich mag es interessant sein, etwas über seine Herkunft zu erfahren, und auch aus gesundheitlichen Gründen mag die Sequenzierung des Genoms relevant sein. Dieses Vorgehen birgt aber auch gewisse Risiken.
Die Kunden sollten sich klar machen, dass ihre Daten den amerikanischen Gesetzen und Richtlinien zu Datenschutz unterstehen, sobald sie ihre DNA an Firmen mit Sitz und Laboratorien in den USA schicken. Gesetzliche Regelungen können sich von denen anderer Länder stark unterscheiden, gerade von denen in Deutschland.
Die Firma 23andMe selbst bekennt auf ihrer Website: „Genetic Information you share with others could be used against your interests.“ Zudem hat der Kunde keinen Anspruch auf finanzielle Entschädigung, wenn die Firma seine DNA nutzt, um neue Produkte zu entwickeln und zu verkaufen. Auch bei einem so genannten „data breach“, wenn also durch Hacks oder Fehler Daten in falsche Hände gelangen, sind die Kunden nicht abgesichert.
Zudem können persönliche Daten an andere Firmen, die mit den Anbietern zusammenarbeiten, weitergeleitet oder verkauft werden. Wenn man seine DNA einsendet, verliert man die Kontrolle über den Umgang mit seinenr genetischen Information. Zudem ist es wichtig, den Nutzen der Firma und des Kunden zu vergleichen. „Wer macht hier den besseren Deal?“, fragt Stefan Wiemann vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Er begegnet den angebotenen Tests mit Skepsis. Vor allem weist er auf den Wert hin, den persönliche Daten wie die DNA haben. Auch sei zu beachten, dass mit dem Einsenden der DNA die Erbinformation der Eltern und die Hälfte der Erbinformation der Kinder offengelegt werden.
Wissenschaftlich hat die DNA-Sequenzierung für ihn einen Stellenwert, wenn sie im klinischen Umfeld von Experten durchgeführt werde. Durch die DNA-Forschung hat die Wissenschaft sehr wichtige Fortschritte gemacht, so Wiemann. Ohne die Gensequenzierung wüsste man viel weniger über Alterskrankheiten und die meisten gerichteten Krebstherapien wären nicht möglich.
Der Reiz, mehr über seine Herkunft und die seiner Vorfahren zu erfahren, ist nachvollziehbar. Trotzdem sollte man sich aber der weitreichenden Konsequenzen und Risiken der kommerziellen DNA-Sequenzierung bewusst sein. In Zukunft könnten weitere Herausforderungen für persönliche Daten hinzukommen. Versicherungen entwickeln ein Interesse an Erbinformationen. In Kombination mit anderen persönlichen Daten und dem Tracking von Bewegungen im Internet erstellen sie zudem ein sehr genaues persönliches Profil eines Menschen. Neben allen Risiken gibt es in jedem Test einen Teil fehlerhafter Daten. Man sollte genau abwägen, ob die Vorteile größer als die Risiken sind.
von Luisa Hinke Martinez und Vivien Mirzai
Vivien Mirzai studiert Politikwissenschaften und Germanistik im Kulturvergleich seit dem Wintersemester 2019/20. Seit Oktober 2019 schreibt sie für den ruprecht über Wissenschaft, Internationales und Rassismus. Sie wechselt zum Wintersemester 2020 in die Ressortleitung Feuilleton.